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Neuroökonomie: Gekauft!

Streng rational und immer nur den persönlichen Vorteil im Blick, so sollten nach der Lehre der Wirtschaftswissenschaften die Entscheidungen des Homo oeconomicus ausfallen. Das tun sie aber nicht immer - vielleicht weil ein paar Neuronen des Gehirns dazwischenfunken.
Geld
Der Gang in den Supermarkt kann ganz schön anstrengend sein: Soll ich nun diesen leckeren, aber teuren Joghurt kaufen, der in der Werbung immer so schön als gesund angepriesen wird? Oder doch lieber das deutlich billigere, aber vermutlich nicht ganz so schmackhafte No-Name-Produkt ganz unten im Regal?

Egal ob Aktien, Autos oder Apfelsaft – ständig muss der "Homo oeconomicus" Entscheidungen treffen, die sein eigenes Wohl mehren sollen. Dabei bestimmen neben Preis und Qualität der angebotenen Produkte auch psychische Faktoren – von der Werbung gern genutzt – die ökonomische Wahl.

Nicht nur Wirtschaftswissenschaftler und Psychologen interessieren sich brennend für ökonomische Entscheidungen, auch die harte Neurobiologie hat das Thema inzwischen für sich entdeckt. Schließlich finden die Entscheidungen im Kopf statt, die sich auch neurobiologisch manifestieren müssen. Zu den "Neuroökonomen" zählen auch Camillo Padoa-Schioppa und John Assad. Die beiden Wissenschaftler von der Harvard Medical School wollten wissen, was bei Kaufentscheidungen im Kopf vor sich geht.

Rhesusaffen übernahmen hierbei die Rolle des "Macaca oeconomicus", wobei sie als wirtschaftliches Gut zwischen zwei Säften wählen konnten. Hatten die Makaken die Wahl zwischen einem Tropfen Traubensaft oder einem Tropfen Apfelsaft, dann fiel ihnen die Entscheidung leicht, mundet ihnen ersterer doch deutlich mehr. Auch das auf zwei Tropfen verdoppelte Apfelsaftangebot verschmähten die Makaken. Beim Apfel-Trauben-Verhältnis von drei zu eins wurden sie schon unsicher. Und bei der Wahl zwischen zehn Tropfen minderwertigen Apfelsafts gegen einen Tropfen heiß begehrter Traube war die ökomische Entscheidung wieder klar: Hier stach Quantität die Qualität.

"Die Aktivität dieser Neuronen spiegelt den Wert der verschiedenen Güter wider"
(Camillo Padoa-Schioppa)
Während die Affen ihre ökonomische Entscheidungen zu treffen hatten, maßen die Forscher die Neuronenaktivität im Gehirn der Tiere. Die Wissenschaftler interessierten sich hierbei insbesondere für den orbitofrontalen Kortex (OFC) – jenes Großhirnareal direkt über der Augenhöhle, dem eine wichtige Funktion als Korrekturinstanz bei emotionalen Bewertungen zugebilligt wird. Schädigungen im OFC können gravierende Folgen nach sich ziehen, wie Essstörungen, Spielsucht oder ein gestörtes Sozialverhalten. Über Elektroden konnten die Forscher die Aktivität von 931 einzelnen Nervenzellen im OFC ihrer Versuchstiere messen.

Und hier tat sich einiges: Je nach wirtschaftlicher Entscheidung regten sich verschiedene Neurone; die ökonomische Wahl konnte somit auf eine unterschiedliche Nervenzellaktivität zurückgeführt werden. "Die Aktivität dieser Neuronen spiegelt den Wert der verschiedenen Güter für die Individuen wider, wenn sie ihre Entscheidung treffen", erläutert Padoa-Schioppa.

Demnach könnten krankhafte Störungen des Entscheidungsverhaltens ausgelöst werden, so spekuliert der Wissenschaftler, wenn diese Nervenzellpopulation durch Krankheit oder Unfall in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Und vielleicht greifen wir im Supermarkt nur deswegen zu einem bestimmten Joghurt, weil sich ein paar Neuronen im vorderen Schädel regen – sei es beim Billigprodukt im Sonderangebot, sei es bei der edlen Markensorte.

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