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Gentechnik: Gendoping kann nachgewiesen werden

Deutsche Forscher demonstrieren, dass auch das bislang als "nicht nachweisbar" etikettierte Gendoping betrügerischer Spitzensportler per Schnelltest entlarvt werden kann. Voraussetzung ist, dass die anfallenden Kosten nicht gescheut werden und überhaupt Interesse daran besteht.
Injektion einer Markersubstanz
Der Kampf gegen betrügerisches Doping im Leistungssport hat seit Langem ein Hase-und-Igel-Problem: Immer wenn ein neues Nachweisverfahren für eine verbotene leistungsfördernde Substanz entwickelt, getestet und einsatzbereit ist, spritzen sich dopende Athleten längst ein allerneuestes, noch nicht so leicht nachweisbares Mittelchen – und bleiben weiter unentdeckt. Vor wenigen Jahren schlugen die ohnehin stets abgehängten Weltantidopingkämpfer dann aber richtig Alarm: Gegen Gendoping, den womöglich neuesten Trend in der globalen Sportbetrugsgemeinde, würde nicht nur zu spät, sondern niemals ein Nachweis im Blut zur Verfügung stehen.

Sportmediziner der Universitäten Tübingen und Mainz glauben nun, diese Befürchtungen zerstreuen zu können: Sie präsentieren eine schnell und einfach einsetzbare Nachweismethode, mit der zumindest die wahrscheinlichste Variante des Gendopings erkannt werden könnte.

Gendoping ist eine missbrauchte Variante der Gentherapie, die eigentlich gegen verschiedene zuvor kaum therapierbare Krankheiten entwickelt wurde. Dabei sollen die defekten Gene eines Kranken in seinen Gewebezellen durch funktionsfähige Kopien ersetzt werden. So könnte man zum Beispiel in Zukunft einmal Krankheiten wie die Muskeldystrophie behandeln: Den Patienten fehlt wegen eines defekten Gens das Protein Dystrophin, das Muskelfasern vor Verletzungen schützt – die Fasern sterben ab und werden durch Bindegewebe und Fett ersetzt. Ein funktionsfähiges Gen, das durch eine Virenfähre gezielt in die Muskeln transportiert wird, könnte da Abhilfe schaffen.

Mit der für die Gentherapie entwickelten Methodik – der Virusfähre sowie den Techniken zum Einbau und Aktivieren des Gens – könnten natürlich auch allerlei leistungsfördernde Gene in gesunde Muskelzellen von Spitzensportlern transportiert werden. Zum Beispiel der Wachstumsfaktor IGF-1 (insulin like growth factor), der nachweislich die Muskelmasse auch dann wachsen lässt, wenn der Muskel wenig trainiert ist. Oder das Gen für "Epo", also die Bauanleitung des im Blut zirkulierenden Proteins Erythropoietin, dass die Sauerstoffversorgung des Muskels verbessert. Eine synthetische Epo-Form war als Medikament entwickelt worden, um Blutarmut zu behandeln; bekannt hat es aber sein Missbrauch im Sport gemacht.

Ende der 1990er Jahre spritzten dopende Ausdauersportler einfach das vom körpereigenen Erythropoietin schwer unterscheidbare Mittel. Bald aber galt Epo als wahrscheinlichster Kandidat für Gendoping: Bei Tieren konnte die Erythropoietin-Produktion per Gentransfer angeregt werden, wenn auch mit Nebenwirkungen wie einer deutlich erhöhten Gefahr eines Herzversagens auf Grund der enorm hohen Blutkörperchendichte. Schnell hatte die britische Firma Oxford Biomedica auch eine Arznei namens "Repoxygen" auf den Markt gebracht, die sowohl die genetische Bauanleitung für Epo als auch virales Erbgut als Genvektor enthält. Das schürte natürlich Befürchtungen, dass ein großer Markt für gentechnische Manipulationen am Menschen heranwächst.

Bis heute ist völlig unklar, ob einzelne Sportler tatsächlich schon Gendoping betreiben – nicht zuletzt eben deshalb, weil die Manipulation nicht nachweisbar war: Die gedopte Substanz, das Gen, integriert sich in die Körperzelle.

Perikles Simon von der Universität Mainz und sein Kollege Michael Bitzer von der Universiät Tübingen haben nun einen Weg gefunden, trotzdem einen Gendopingversuch durch Blutanalysen entlarven zu können – und dies mit einem vertretbaren Aufwand, der auch Routineanalysen bei Sportereignissen ermöglichen würde.

"Das dürfte auch die waghalsigsten Doper abschrecken"
(Perikles Simon)
Die Methode der beiden Wissenschaftler macht sich zu Nutze, dass die zum Gentransfer als Transporter eingesetzten Adenoviren immer auch Spuren im Blut hinterlassen: Selbst wenn die Viren mit ihrer Genfracht direkt in den Muskel gespritzt werden – was aller Wahrscheinlichkeit nach regelmäßig erfolgen muss –, gelangen geringe Mengen des Virus und der darin transportierten DNA unweigerlich in den Kreislauf. Diese DNA kann mit PCR, einer etablierten Labormethode, aus Blutproben vervielfältigt und herausgefischt werden. Nur 20 Mikroliter Blut einer einmal versuchsweise mit Adenoviren behandelten Maus genügen, um 56 Tage lang den Eingriff nachzuweisen.

Bei einem Nachweis muss allerdings noch fremdes von körpereigenem DNA-Material unterschieden werden: Schließlich zirkuliert auch im Blut gedopter Athleten nicht nur die injizierte Bauanleitung für, zum Beispiel, Epo, sondern auch das natürliche Gen. Natürliche und künstliche Gene unterscheiden sich aber glücklicherweise: Die künstlichen Gene basieren gentechnisch bedingt auf so genannter cDNA, enthalten also keinerlei Introns – also nicht kodierende Abschnitte. Diese aber sind für natürliche Erbgutabschnitte typisch: Entdeckt der PCR-Nachweis im Blut des Getesteten nun also die schlanken, intronfreien cDNA-Gene etwa für Epo oder den Wachstumsfaktor IGF1, dann sei dies ein eindeutiger Hinweis auf Manipulation.

Beim Gendopingtest müsste nun nach verschiedenen leistungsfördernden Kandidatengenen gefischt werden – neben Epo und IGF1 also etwa auch nach den Bauanleitungen für andere Wachstumsfaktoren wie GH-1 oder VEGF-A und -D sowie Follistatin, einem Muskelwachstumsregulator. Alle diese Substanzen konnte der neue Test nachweisen – ihn für weitere anzupassen sollte kein Problem sein.

Nun bleibt nur fraglich, ob das Testverfahren womöglich sogar abschreckend für Sportbetrüger wirkt – oder am Ende nur dazu führt, das die Sportmanipulatoren ihre Verfahren anpassen. Zumindest aber hoffen die Wissenschaftler, dass ihre per Pressekonferenz lautstark veröffentliche Ankündigung abschreckende Wirkung erzielt: "Das Wissen um das Risiko, auch Monate nach einem durchgeführten Gentransfer bei einer Wettkampfkontrolle entdeckt zu werden, dürfte auch die waghalsigsten Doper abschrecken", hofft Simon. In puncto Gendoping hätten sich die Rollen von Hase und Igel dann umgekehrt.

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