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Neue Vakzine: Genetischer Grippeimpfstoff als schnelle Alternative

Influenzavirus-Modell

Beim Kampf gegen die alljährliche Grippewelle stellt sich stets ein Hauptproblem: Die enorm arbeits- und zeitintensive Herstellung von Impfstoffen gegen sich ständig verändernde Influenzaviren. Einem Forscherteam um Lothar Stitz vom Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Insel Riems gelang es nun, einen RNA-basierten Impfstoff zu entwickeln, der helfen könnte, solche Komplikationen zu minimieren.

Influenzavirusmodell | 3-D-Modell eines Influenzavirus: Die Virushülle enthält die Oberflächenmoleküle Hämagglutinin (blau), Neuraminidase (rot) und Matrixproteine (lila). Im Virusinneren befindet sich das einzelsträngige RNA-Genom. Die zufällige Veränderung der Oberflächenmoleküle ist für die jährlich veränderten Virustypen verantwortlich. Diese Veränderungen kommen durch die natürliche Vervielfältigung des Virus zu Stande und erschweren so seine medizinische Bekämpfung.

Der Wirkstoff – synthetisch hergestellte, modifizierte und stabilisierte mRNA – kann schnell innerhalb weniger Wochen in industriellem Maßstab produziert werden. Die zeitraubende Produktion herkömmlicher Tot- und Lebendimpfstoffe gegen Influenzaviren wird damit umgangen. Der Geschwindigkeitsgewinn erhöht die Flexibilität der Impfmediziner, auf die sich schnell verändernden Virenstämme zu reagieren. Zudem vermeidet ein RNA-Impfstoff mögliche Nebenwirkungen gängiger Impfstoffe, die in Zellkulturen oder Hühnereiern hergestellt werden – wobei viel Sorgfalt aufgewendet werden muss, um Verunreinigungen auszuschließen, die später in Geimpften beispielsweise Allergien auslösen können.

Die Forscher stabilisierten den neuen Impfstoff, so dass er bei Raumtemperatur gelagert und transportiert werden kann und im Körper nicht von intra- und extrazellulären Enzymen abgebaut wird. Die Gensequenz beliebiger Influenzaviren lässt sich recht einfach in die mRNA einbauen. Dies erlaubt die schnelle Reaktion von Impfmedizinern auf neu auftretende Virentypen, die sich jedes Jahr wieder verändern.

In den Zellen wird die genetische Information der mRNA in Virusproteine umgesetzt, auf die das Immunsystem reagiert: Es setzt sich durch die Bildung von Antikörpern sowie zellvermittelter Immunantworten zur Wehr, wenn ein Grippevirus sich im Körper einnisten will. Die mRNA kann zudem nicht ins Erbgut des Geimpften eingebaut werden – ein theoretisch mögliches und gefürchtetes Szenario bei DNA-Vakzinen.

Das Forscherteam demonstrierte das Prinzip der neuen Impfmethode erfolgreich, indem sie Versuchsmäuse impften und sie dann Wochen später mit unterschiedlichen Subtypen des Influenzavirus A infizierten. Bei allen Tieren  – auch neugeborenen und sehr alten – ließen sich Antikörper gegen die viralen Proteine sowie eine zellvermittelte Immunantwort nachweisen. Dies verspricht Erfolg auch beim Menschen, wo besonders Kinder und ältere Individuen für Grippeviren anfällig sind. Sogar Tiere, die mit einer im Normalfall tödlichen Virendosis infiziert wurden, waren vor der Infektion geschützt. Der Impfschutz blieb zudem über einen längeren Zeitraum erhalten und konnte bei unterschiedlichen Versuchstieren, vom Frettchen bis zum Schwein – einem Tiermodell, bei dem das Immunsystem dem menschlichen sehr ähnlich ist – nachgewiesen werden.

Ähnliche RNA-basierte Wirkstoffe, die in der Krebstherapie das Immunsystem anregen sollen, befinden sich derzeit schon in frühen Phasen der klinischen Prüfung. Daher hoffen die Forscher, dass ihr alternativer genetischer Grippeimpfstoff bald auch am Menschen getestet werden könnte.

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