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Ornithologie: Genom eines ausgestorbenen Moas rekonstruiert

Vor Ankunft der Menschen gab es auf Neuseeland praktisch keine Säugetiere. Ihre Stelle nahmen Vögel ein - darunter die ausgestorbenen Moas. Können sie wiederbelebt werden?
Haast-Adler - erbeutete er sogar Menschen?

Bevor die Polynesier die neuseeländischen Inseln erreichten, waren die Eilande das Königreich der Vögel. Mit Ausnahme kleiner Fledermäuse – und Meeressäuger an der Küste – gab es hier keine Säugetiere: Die Vögel besetzten also sehr viele ökologische Nischen, verloren oft ihre Flugfähigkeit und entwickelten sich bisweilen zu Riesen wie den Moas der Gattung Dinornis, die stehende Menschen überragten, oder dem Haast-Adler (Harpagornis moorei), der sie jagte. Den Menschen als Feind kannten sie jedoch nicht, weswegen die ersten Siedler leichtes Spiel hatten und die Vögel rasch ausrotteten. Eine kleine Bevölkerung von wenigen hundert Menschen aß die großen Laufvögel innerhalb von vielleicht nur 150 Jahren einfach auf. 700 Jahre nach diesem Verschwinden gelang es Biologen erstmals, ein fast vollständiges Genom von einer dieser Arten aus Museumsmaterial zu rekonstruieren. Das melden Alison Cloutier von der Harvard University und ihr Team vorab auf "bioRxiv" – und halten damit Hoffnungen am Köcheln, dass man diese Tiere eines Tages gentechnisch vielleicht wieder zum Leben erwecken könnte.

Dazu haben die Biologen DNA aus einem alten Zehenknochen eines Kleinen Buschmoas (Anomalopteryx didiformis) zusammengekratzt, der im Royal Ontario Museum in Toronto aufbewahrt wird. So etwas ist ein schwieriges Unterfangen, denn die DNA beginnt sich bereits kurz nach dem Tod des Tieres zu zersetzen. Doch mit Hilfe extrem leistungsfähiger Sequenziermaschinen konnten die Wissenschaftler 900 Millionen Nukleotide bestimmen, die über Millionen DNA-Schnipsel verteilt waren. Um sie in die richtige Reihenfolge zu bringen, verglichen sie diese mit dem Genom des Emus, einer verwandten australischen Laufvogelart. Dadurch konnten Cloutier und Co 85 Prozent des Genoms richtig sortieren, die restlichen 15 Prozent lassen sich nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten nach dem Emu-Vergleichsmaterial organisieren.

Sollte dies irgendwann gelingen, wäre das ein bedeutender Schritt vorwärts, um ausgestorbene Arten zu rekonstruieren – doch bis dahin ist es noch ein langer Weg: Dazu müsste man dann im Genom des Emus an entscheidenden Stellen die Gene der ausgestorbenen Moas austauschen. Das dazu nötige Werkzeug, mit dem man DNA gezielt schneiden und verändern kann, steht mit CRISPR/Cas schon zur Verfügung. Anschließend müsste man die manipulierten Eizellen mit dem veränderten Erbgut von Emus austragen lassen und hoffen, dass die schlüpfenden Moas überleben, was bislang nicht möglich ist. Immerhin: Sollte die Wissenschaft eines Tages doch so weit sein, dann ließen sich womöglich alle neun verschwundenen Moa-Arten neu schaffen – auch die Riesen der Gattung Dinornis. Das Genom der Vögel folgt prinzipiell gleichen Strukturen. Die Gene für bestimmte Eigenschaften neigen dazu, auf dem jeweils gleichen Chromosom zu liegen, und ordnen sich zu bestimmten anderen Genen stets auf ähnliche Weise an. Biologen hoffen deshalb, dass sie auf diese Weise doch wieder Arten wie den Dodo oder die Wandertaube neu erschaffen können.

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