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News: Geologischer Uhrenvergleich

Nicht alles, was vom Himmel kommt, ist auch gut. Den Dinosauriern ist vermutlich ein Meteoriteneinschlag zum Verhängnis geworden, und vor rund 3,3 Millionen Jahren traf ein Asteroid oder Komet die Erde im Gebiet des heutigen Argentiniens so heftig, daß es fast zu einer weiteren globalen Katastrophe gekommen wäre. Zwar starben damals 'nur' 36 größere Tierarten aus, doch die Auswirkungen auf das Weltklima spüren wir vermutlich noch heute.
"Anders als der Einschlag, durch den die Dinosaurier und andere prähistorische Kreaturen verschwanden, hat dieses Ereignis nicht zu einem globalen Aussterben geführt", sagt der Geowissenschaftler Peter Schultz von der Brown University. "Es war ein Schwellenereignis, wahrscheinlich klein genug, um regional begrenzte Schäden anzurichten und lokal Arten aussterben zu lassen, und es hat vielleicht eine Klimaveränderung ausgelöst. El Niño oder ein Vulkanausbruch sind im Vergleich dazu lediglich ein schwaches Wispern für das Klima." Immerhin halten die zyklischen Kaltphasen auf der Erde, die bald nach dem Einschlag begannen, bis heute an, ergänzt er.

Schultz untersuchte zusammen mit seinen Kollegen einen rund 30 Kilometer langen Küstenstreifen im Südosten Argentiniens. Dort ist eine dünne Schicht aus grünlichem Glas und rotem Material, das an pulverisierte Ziegelsteine erinnert, zu finden. Seit seiner Entdeckung im Jahre 1865 hat dieses als Escoria (spanisch "Schlacke") bezeichnete Glas die Wissenschaft vor Rätsel gestellt.

Nach Ansicht der Forscher weisen das Glas und der umgebende rote Staub auf einen mächtigen Schlag in den argentinischen Boden hin (Science vom 11. Dezember 1998). Etwa ein halbes Dutzend Indizien lassen diesen Schluß zu, angefangen von der verdrehten und gefalteten Form des Glases bis hin zum isolierten Fundort, der weitab von Vulkanen und ähnlichen geologisch aktiven Orten liegt. Die chemische Analyse des Materials zeigte ungewöhnlich große Konzentrationen von Magnesiumoxid und Calciumoxid, deutliche Spuren von Iridium und Chrom, aber nur winzige Mengen von Wasser – alles Werte, die zu der Hypothese vom Meteoriteneinschlag passen.

In der Schichtstruktur des Bodens ist das Glas direkt unter einer Ebene angesiedelt, deren Fossilien das Aussterben von 36 lokalen Tierarten vor drei Millionen Jahren bezeugen. Darunter waren Spezies, die heutigen Gürteltieren ähnelten, bodenlebende Faultiere, verschiedene Huftiere und ein flugunfähiger, fleischfressender Vogel. Die freigewordenen ökologischen Nischen wurden in der Folgezeit von anderen Tierarten besetzt.

Mit Hilfe einer Laser-Fusions-Methode bestimmten die Wissenschaftler das Verhältnis der Argon-Isotope im Glas und datierten so dessen Alter auf 3,3 Millionen Jahre – also direkt vor dem Aussterben der Tiere.

Aus den Daten anderer Wissenschaftler über das Verhältnis der Sauerstoffisotope in Bohrkernen des benachbarten Ozeangrundes folgerten Schultz und seine Kollegen, daß vor rund 3,3 Millionen Jahren sowohl die Temperaturen in der Luft als auch im Wasser plötzlich abgesunken sind. Demnach fand kurz nach dem Einschlag, aber kurz vor dem Artensterben ein Umschwung des Klimas statt.

"Diese Forschung ist wie der Vergleich mehrerer Uhren", sagt Schultz. "Wir vergleichen eine Uhr im Glas mit einer Uhr im Boden und einer Uhr in den Tiefsee-Bohrkernen. Daraus lesen wir die Umweltbedingungen zu jenen Zeiten ab. Wir waren überrascht festzustellen, daß das Auftreten des Glases und der Wechsel in der Fauna mit dem Temperatursturz einhergingen." Was als ein einfaches Projekt zur Untersuchung des Escorias begann, entwickelte sich zu einer Entdeckung von Zusammenhängen, die auf ein großes Ereignis hindeuten, das vor relativ kurzer Zeit ein Ökosystem umkrempelte.

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