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News: Gleich und Gleich gesellt sich gern

Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige Ladungen ziehen sich an. Dieser Merksatz aus der Schulzeit scheint bei biologischen Molekülen in wässriger Lösung nicht zu greifen. Physiker untersuchten weshalb.
Anziehend
Das Experiment ist simpel: Zwei Plastikstäbe werden an einem Fell gerieben, wobei der erste Stab frei beweglich an einem Faden hängt. Bringt man nun den zweiten Stab in die Nähe des ersten, dann dreht sich dieser weg. Anhand dieses oder eines ähnlichen Versuchs erklären Physik-Lehrer schon in der Schule den ehernen Lehrsatz, dass sich gleichnamige Ladungen abstoßen.

Doch scheinbar trifft das nicht immer zu. Denn in wässriger Lösung spalten sich bestimmte Makromoleküle in Ionen und Gegenionen auf, wobei sich anschließend mitunter gleiche Ionen wieder zusammenfinden. Insbesondere bei vielen biologisch relevanten Molekülen wie beispielsweise Proteinen und Nucleinsäuren lässt sich dieses seltsame Verhalten beobachten. Wie lässt es sich erklären?

Es muss irgendwie an den anderen Ionen in der Lösung liegen, so bereits die bisherige Vermutung. Positiv geladene Kationen sollten sich demnach um ein großes negatives Anion scharen, so dessen Ladung abschirmen und für das Zusammenrücken verantwortlich sein. Es ist jedoch nicht egal, welche Ionen für den Abschirmeffekt zur Verfügung stehen. So spielt unter anderem die Ladung eine Rolle. Einfach geladene Ionen taugen zum Beispiel überhaupt nicht als Vermittler. Häufig sind zweiwertige Ionen, manchmal auch dreiwertige gefragt. Und auch die Größe des Ions ist entscheidend.

John Butler von der University of Illinois at Urbana-Champaign und seine Kollegen wollten nun genauer herausfinden, welche Ionen einem Polyelektrolyt – einem dissoziationsfähigen Makromolekül – bei der Zusammenkunft behilflich sind. Als geladene Makromoleküle dienten ihnen dabei stabförmige M13-Viren. Als vermittelndes Molekül nutzten die Forscher Diamine – hantelförmige, organische Verbindungen, die zwei Aminogruppen (NH2) tragen. In Lösung liegen diese beiden Aminogruppen, die über mehrere Kohlenstoffatome miteinander verbunden sind, in protonierter Form vor, also NH3+ (Ammoniumgruppe). Die Moleküle weisen daher zwei positiv geladene Enden auf.

Butler und sein Team verwendeten Diamine mit einem bis vier Kohlenstoffatomen, um den Einfluss der Größe auf das Klumpungsverhalten zu untersuchen. Wie sich zeigte, erfüllte nur das kürzeste Diamin mit gerade mal 0,29 Nanometern Länge seine Rolle als Kuppler. Aber warum?

Auffällig ist laut der Biophysiker, dass die Länge des Moleküls gerade einer bestimmten, bereits bekannten Größe für M13-Viren entspricht. Denn stellt man sich das Makromolekül als gleichmäßig geladenes Objekt vor, dann gibt es eine bestimmte Entfernung, innerhalb derer M13 so stark von Wasser und umher treibenden Ionen abgeschirmt wird, dass ein zufällig vorbei schwimmendes Ion das Makromolekül nicht spüren würde. Diese so genannte Gouy-Chapman-Distanz entspricht ziemlich genau der Länge des Diamin-Moleküls.

Anschaulich stellen sich die Forscher die Wirkung der Diamine so vor: Ein positives Ende heftet sich an einen Fleck des negativ geladenen M13. Das andere Ende bleibt frei und kann so an ein anderes M13 binden. Ist die ganze Oberfläche des M13-Makromoleküls igelartig mit Diaminen bedeckt, dann ist von außen nur noch die positive Ladung der Diamin-Enden zu sehen, und das eingehüllte M13-Molekül kann sich einen negativ geladenen Partner schnappen.

Sind die Diamine jedoch zu lang, dann verlieren die freien positiven Enden ihre Wirkung – vielleicht deshalb, weil die Ladungen dann zu weit gestreut sind. Der Molekül-Igel hätte dann sehr lange Stacheln, doch nur mit einigen wenigen ließe sich ein anderes M13-Molekül aufspießen, was für den Zusammenhalt alles andere als förderlich ist.

Ob das Bild stimmt, muss jedoch noch geklärt werden. Koautor Jay Tang von der Brown University im amerikanischen Providence hat deshalb das nächste Ziel schon im Blick: ein detailliertes Modell des Verhaltens von Polyelektrolyten unter allen denkbaren Bedingungen.

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