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El Niño: Godzilla tritt ab

Der stärkste jemals beobachtete El Niño geht zu Ende. Was bleibt, ist vor allem Ungewissheit - und die Sorge um den Golfstrom.
Waldbrand

Drei Grad Celsius wärmer als normal war der zentrale Pazifik im November 2015. Es war die höchste bis dahin beobachtete Anomalie in jener Region, deren Oberflächentemperaturen Indikator für die ENSO sind – jenes unregelmäßige Klimamuster, dessen Extremzustände als El Niño und La Niña bekannt sind. Der superwarme Zentralpazifik signalisierte den stärksten El Niño aller Zeiten, im englischen Sprachraum Godzilla genannt. Er brachte Dürre nach Südostasien, Starkregen nach Südamerika und Blumenpracht ins Tal des Todes. Nun liegt er offensichtlich in den letzten Zügen: Die Oberflächentemperatur in der entscheidenden Region des Pazifiks ist nur mehr ein Grad Celsius über der Norm – und fallend.

Blühendes Death Valley | Dank El Niño fiel im Tal des Todes so viel Regen, dass zahllose Blumen blühten.

Das Wetterereignis war in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, nicht nur ungewöhnlich stark. Aufsehen erregten zwei "Blobs" – Zonen ungewöhnlich warmen und kalten Wassers auf der Nordhalbkugel. In Kalifornien enttäuschte El Niño auf ganzer Linie. Statt der erwarteten und dringend erhofften enormen Niederschlagsmengen brachten Stürme zwar weit mehr Regen als in den letzten Dürrejahren, aber immer noch weniger als im langjährigen Mittel. Der gesamte Südosten der USA, in normalen El-Niño-Jahren kühler und feuchter, war in dieser Saison vor allem warm.

Und zuvor hatte El Niño die Wetterfrösche erst einmal warten lassen. Schon 2014 rechneten die meisten Fachleute damit, dass das Klimapendel in Richtung höherer Pazifiktemperaturen ausschlagen würde, doch es sollte zur wachsenden Irritation der Fachwelt noch ein Jahr dauern, bis sich die Vorhersage dann tatsächlich bestätigte. Die Verzögerung lag nach Ansicht von US-Forschern an plötzlichen starken Ostwinden, die kaltes Wasser vor der Küste Südamerikas aufsteigen ließen.

Bringt La Niña nun mehr Stürme?

Noch rätselhafter waren jene Blobs genannten Temperaturanomalien. Seit 2014 waren etwa eine Million Quadratkilometer des Nordostpazifiks bis zu drei Grad Celsius wärmer als normal – mit Folgen für das Wetter und die Fischerei der gesamten Region. Erst im Februar 2016 begann sich der Blob zu verflüchtigen. Vieles über diese marine Hitzewelle ist noch unklar, gerade auch ihre Beziehung zu El Niño: Hat das warme Wasser die Klimaanomalie verstärkt oder ist Ersteres eine Folge des ENSO-Zustands? Möglicherweise beides.

Kaum etwas weiß man bisher über den Ursprung des kalten Blobs im Nordatlantik. Die kühle Region befindet sich genau dort, wo kaltes Wasser bis zum Boden des Nordatlantiks absinkt und die thermohaline Zirkulation antreibt. Nach Ansicht einer Arbeitsgruppe unter Führung von Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist so eine ungewöhnlich kühle Zone exakt das, was Klimamodelle für eine schwächer werdende Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC) vorhersagen – das berüchtigte "Versiegen des Golfstroms". Verantwortlich sein könnte relativ leichtes, weil salzarmes Schmelzwasser aus Grönland, doch noch ist diese Hypothese sehr umstritten.

Ungewissheit wird, so viel steht fest, das wichtigste Erbe des Super-El-Niño 2015/2016 sein. Wenn man eines lernen kann, dann, dass Vorhersagen schwierig sind. Das gilt insbesondere für die nahe Zukunft: Modelle deuten an, nun könnte direkt eine vergleichsweise starke La-Niña-Phase folgen – wettertechnisch etwa das Gegenteil von El Niño. Das würde unter anderem bedeuten, dass der tropische Atlantik wieder mehr Hurrikane sehen wird, die in starken El-Niño-Jahren deutlich seltener sind. Aber genaue Vorhersagen wagt derweil kaum jemand – das Klima des 21. Jahrhunderts ist Neuland.

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