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News: Großer Lauschangriff

Im ewigen Kampf zwischen Pflanze und Schädling nutzt letzterer einen raffinierten Trick: Er "belauscht" die Biosynthese pflanzlicher Abwehrstoffe, sodass er sich frühzeitig davor schützen kann.
Der ewige Kampf zwischen Pflanze und Schädling wird im Laufe der Evolution schon sehr lange ausgefochten. Obwohl beide Seiten bemerkenswerte Mechanismen für Angriff und Verteidigung entwickelt haben, ist es bisher noch keiner von beiden gelungen, die Oberhand zu gewinnen.

Setzt sich beispielsweise eine gefräßige Raupe auf ein Blatt und beginnt, dieses zu verspeisen, wird die Pflanze darauf mit der Produktion von so genannten Allelochemikalien reagieren. Diese Stoffe sind zum einen oftmals giftig für die Pflanzenfresser, zum anderen dienen sie aber auch als chemische Botenstoffe: Sie locken natürliche Fressfeinde der Insekten hin zur Pflanze, wo diese sich verständlicherweise nur all zu gerne des Problems annehmen.

Doch völlig ausgeliefert scheinen die Schädlinge dennoch nicht zu sein, da einige von ihnen ja außerordentliche Erfolge im Sinne weiter Verbreitung vorweisen können. Einer dieser Stars am Insektenhimmel ist der Baumwollkapselbohrer (Helicoverpa zea), dessen Larve auf über 100 Wirtspflanzen ihr Unwesen treibt. Das Mittel des Schädlings gegen die gefährlichen Allelochemikalien: Er produziert kurzfristig Enzyme, welche die Giftstoffe unschädlich machen. Diese Enzyme der Cytochrom-P450-Familie ähneln denen, die auch in unserer Leber vorkommen.

May Berenbaum und ihre Kollegen an der University of Illinois fragten sich nun, warum der Baumwollkapselbohrer nicht dennoch im Nachteil ist, schließlich sollte er erst dann mit der Produktion der schützenden Enzyme beginnen, wenn er bereits von den Giftstoffen angegriffen wird, sodass er bis zum Zeitpunkt, an dem die Enzyme letztendlich zur Verfügung stehen, besonders verwundbar sein müsste. Die Wissenschaftler vermuteten daher, dass womöglich schon Vorstufen in der Biosynthese pflanzlicher Allelochemikalien die Enzymproduktion der Tiere ankurbeln.

Xianchun Li von der Nanjing Agricultural University führte daraufhin Experimente an Helicoverpa-zea-Larven durch. Er setzte sie Lösungen mit geringen Mengen an Jasmonaten und Salicylaten aus – beides für Pflanzen hormonähnliche Substanzen, die zur Bildung jener Abwehrstoffe führen.

Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass bereits die bloße Präsenz der Botenstoffe einen Anstieg an entgiftenden Cytochrom-P450-Enzymen in den Tieren bewirkt: Je nach Larvenstadium stieg die Enzymkonzentration dabei bis auf das Achtfache an. Darüber hinaus erwies sich diese Abwehrreaktion für die Raupen in keiner Weise als nachteilig, lagen doch die untersuchten Larven in anderen Parametern wie Gewicht, Wachstums- und Sterberate gleichauf mit den Werten einer unbehandelten Kontrollgruppe.

Die Insekten haben also quasi den Code, mit dem die Pflanze kommuniziert und die Produktion der Allelochemikalien einleitet, geknackt – so belauschen sie ihren Feind und leiten Gegenmaßnahmen ein, noch bevor dieser seine eigenen Waffen ins Feld führt.

Durch die Besprühung von Kulturpflanzen mit Signalstoffen wie Jasmonaten oder Salicylaten könnte man auch im Vorfeld schon eine Art Dauerfeuer an pflanzeneigenen Insektiziden auslösen, sodass neu ankommende Schädlinge wie der Baumwollkapselbohrer erst gar nicht in der Lage wären, sich auf einen Angriff vorzubereiten. Besser wäre allerdings eine Substanz, welche zwar die Produktion der Allelochemikalien auslöst, aber nicht gleichzeitig auch die Widerstandsfähigkeit der Schädlinge erhöht.

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