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Kindliche Entwicklung: Gutes Gefühl gleich gute Noten?

Matheunterricht beginnt nicht erst in der Schule: Schon kleine Kinder haben ein grundlegendes Zahlen- und Mengenverständnis, das sie in verschiedensten Studien unter Beweis gestellt haben. Für den Alltag reicht das zunächst - und erleichtert ihnen später vielleicht den Einstieg in die komplexe Algebra und Co.
Mag Mathematik auch den Ruf des Exakten haben, ohne Näherungen und Schätzungen ginge es nicht. Ob nun beim schnellen Überschlagen von Summen oder dem schrittweisen Einengen von Ergebnissen, weil ein eindeutiges Berechnen nicht möglich ist: Manchmal lassen eben selbst Perfektionisten fünfe gerade sein.

Im Alltag sind solche Milchmädchenrechnungen und Mengeneinordnungen gang und gäbe, und da selbst kleine Kinder oder Naturvölker, die gar keinen Zahlenbegriff entwickelt haben, diese Fertigkeit beherrschen, vermuten Forscher dahinter eine uralte Begabung, die sich im Laufe der Evolution entwickelt hat. Dafür spricht auch, dass sie nicht menschentypisch ist: Wir teilen diese Eigenschaft mit verschiedenen Tierarten.

Fördert altes Erbe moderne Fähigkeiten?

Wenn es sich aber nun um eine so tief verankerte Fähigkeit handelt – welchen Einfluss hat sie dann auf unsere Leistung in komplexeren mathematischen Fragestellungen, die auf dem abstrakten Zahlenbegriff beruhen? Oder handelt es sich hierbei um zwei Paar Schuhe?

Justin Halberda von der Johns Hopkins University in Baltimore und seine Kollegen nutzten eine Langzeituntersuchung an amerikanischen Kindern, die seit dem Kindergarten immer wieder verschiedenen Tests unterzogen wurden – mathematischen wie allgemein kognitiven. Als die lieben Kleinen zu 14-jährigen Teenies herangewachsen waren, setzten sie sie vor einen Monitor und ließen sie in einer Bildersequenz das jeweilige Verhältnis von gelben zu blauen Punkten abschätzen, die so schnell wieder verschwanden, dass ein simples Zählen unmöglich war.

Und siehe da: Wer hier gut abschnitt und selbst bei sehr ähnlichen Mengenverhältnissen noch richtig tippte, hatte sich bereits über die Jahre hinweg durch gute Ergebnisse in den sonstigen Mathetests ausgezeichnet. Dabei konnten die Wissenschaftler keinen Einfluss von Unterschieden in der allgemeinen Intelligenz, Sprachkompetenz oder sonstigen überprüften Faktoren nachweisen: Allein das Zahlengefühl und die guten Mathenoten, die ja eigentlich ganz andere Fertigkeiten abfragten, hingen zusammen.

Rückschluss erlaubt keine Vorschau

Mit aller gebotenen Vorsicht leitet sich daraus ab: Wer später treffend schätzen kann, der dürfte keine großen Probleme beim Einstieg in die Schulmathematik gehabt haben. Der Umkehrschluss – wer als Kind ein gutes Mengengefühl zeigt, der erntet später gute Zensuren – funktioniert hingegen nicht. Denn die Interpretation des Ergebnisses ist auf zweierlei Wegen möglich, erklären die Forscher.

So ist es zum einen natürlich durchaus möglich, dass ein ausgeprägtes Zahlengefühl die Basis für höhere Mathematik liefert. Zum anderen könnte aber auch die mathematische Ausbildung, die diese Kinder ja genossen hatten, ihr Zahlengefühl geschult haben. Das auseinanderzudividieren, ist im Rückschluss nicht mehr möglich, doch weisen vergleichende Studien an Naturvölkern auf einen solchen Einfluss hin.

Bleibt für Eltern, Erzieher und Lehrer der nahe liegende Schluss: Wer Kinder früh und spielerisch an Zahlen und Mengen heranführt, kann eigentlich nichts falsch machen. Vielleicht weckt er oder sie dann rechtzeitig die Lust an einem Fach, das leider zu oft verhasst oder auch schlicht verkannt ist. Mag man Kurvendiskussion oder analytischer Geometrie ablehnend gegenüber stehen – um Milchmädchenrechnungen kommt eigentlich niemand herum. Aber auch das ist Mathematik.

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