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Bautechnik: Häuser aus dem 3-D-Drucker

Der 3-D-Druck macht sich auf, die Architektur zu verändern: Mit schnell trocknenden Baustoffen drucken Roboter ganze Gebäude quasi über Nacht. Vielleicht sogar auf dem Mars.
Ein stilisiertes Haus in einem 3-D-Drucker

Der Drucker ist rund sechs Meter hoch und hat ein Druckbett von mehr als 350 Quadratmeter Fläche. Die Druckpaste besteht aus einer Mischung aus Bauschutt, schnell trocknendem Zement und einem speziellen Härtungsmittel – der Roboter erhitzt diese »Tinte« und trägt sie anschließend mit Hilfe einer Düse Schicht für Schicht auf, bis das Bauteil fertig ist. In China entstand auf diese Weise eine zweistöckige Villa mit einer Wohnfläche von 1100 Quadratmetern.

Für ein Haus aus herkömmlichen Steinen hätten Arbeiter mühselig die Steinblöcke freiklopfen und sie zur Baustelle schleppen müssen, so Ma Yihe, Unternehmensleiter der Firma WinSun, die für den Bau verantwortlich war. Beim 3-D-Druckverfahren dagegen verwende man im Grunde Abfall, und man könne so bis zu 60 Prozent Material, Zeit und Arbeitskraft einsparen und damit die Baukosten deutlich senken.

Das Verfahren beim 3-D-Druck von Gebäuden folgt denselben Prinzipien wie ein gewöhnlicher 3-D-Druck im kleineren Maßstab. Bei der als additives Schichtbauverfahren bezeichneten Methode wird durch eine Druckdüse eine Reihe von Schichten aufeinander aufgetragen, die dann aushärten und einen festen Körper bilden. Das Rohmaterial ist in aller Regel ein Pulver, welches erhitzt oder chemisch zu einem Festkörper zementiert wird.

Gedruckte Sozialwohnungen

Dieses Schichtbauverfahren ist eine sehr vielseitige Methode. Alles, was mit einer computergestützten Designsoftware zu entwerfen ist, kann anschließend als Gegenstand gedruckt werden. Außerdem ist das Verfahren ressourceneffizient. Im Vergleich zu Herstellungsmethoden, bei denen überflüssiges Material entfernt wird, um die gewünschte Form zu erreichen, spart das 3-D-Druckverfahren 50 bis 95 Prozent Gewicht. Denn beim additiven Schichtbauverfahren wird nur das Material verwendet, das tatsächlich gebraucht wird.

Die Regierung in Singapur investierte 150 Millionen Euro in ein Forschungszentrum, in dem 3-D-Druckverfahren für den Bau von Brücken und Gebäuden erforscht werden sollen. Das Ziel des Singapore Centre for 3D Printing ist der Bau einer Siedlung aus Sozialwohnungen. Wie Chua Chee Kai, Geschäftsführer des Forschungszentrums, sagte, bestehe die Idee darin, einzelne Bauteile des Gebäudes zunächst auszudrucken, diese dann zur betreffenden Baustelle zu transportieren und wie Legosteine zusammenzusetzen. Dieses Fertigungsverfahren werde als »Prefabricated Pre-Finished Volumetric Construction« bezeichnet und wurde bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt. Derzeit sei die Siedlung noch in der Planungsphase.

3-D-Drucker in Aktion | Der Druckkopf eines kommerziellen 3-D-Druckers schmilzt einen Kunststoff auf, der in Form eines Endlosstrangs nachgeliefert wird. Die Schmelze platziert ein Druckkopf Schicht für Schicht am gewünschten Ort, wo sie erstarrt.

Deutlich weiter bezüglich 3-D-Druck von Gebäuden sind Unternehmen in Dubai. Dort wurde im Mai 2016 das erste komplett aus dem Drucker gefertigte und tatsächlich genutzte Bürogebäude der Öffentlichkeit vorgestellt. Bis auf die Inneneinrichtung und die Elektroanlage wurde es vollständig aus einem druckbaren Zementgemisch produziert. Die gesamte Bauzeit bei dem 250 Quadratmeter großen Gebäude lag bei weniger als drei Wochen. Auch bei diesem Druckverfahren wurden zunächst Einzelteile gedruckt, die anschließend in Legomanier zusammengesetzt wurden.

Dass dieses Verfahren nicht nur auf der Erde wirtschaftliche Vorteile hat, zeigen Überlegungen von ESA und NASA. Denn wer auf dem Mond oder dem Mars eine feste Station errichten möchte, braucht entsprechende Gebäude für die Astronauten. Um dieses Vorhaben zu bewerkstelligen, müssten sämtliche Bauteile und Materialien in Raketen verladen, dorthin geschafft und anschließend aufwändig zusammengesetzt werden. Dies würde riesige Summen Geld und viel Zeit verschlingen – und es ist nicht einmal klar, ob ein solches Projekt überhaupt durchführbar wäre.

3-D-Druck für die Mondsiedlung

Sowohl die ESA als auch die NASA sind daher mit eigenen Forschungsprojekten in den 3-D-Druck von Gebäuden eingestiegen. Laut Johann-Dietrich Wörner, Generaldirektor der ESA, besteht die Hoffnung, auf diesem Wege ein Dorf auf der Mondoberfläche zu bauen. Am Beginn würden natürlich die Prioritäten auf Baumaterialien und Lebensmitteln liegen. Auch Scott Hovland vom Human Space Flight Team der ESA sagt, dass der 3-D-Druck eine potenzielle Möglichkeit darstelle, die von der Erde aus notwendige Logistik zu reduzieren und die Besiedlung des Mondes zu erleichtern. »Die neuen Möglichkeiten, die sich mit diesem Projekt eröffnen, können dann von internationalen Raumfahrtbehörden als Teil der heutigen Entwicklung einer gemeinsamen Explorationsstrategie in Betracht gezogen werden.«

Eine wesentliche Vorbedingung für einen Einsatz dieser Technologie auf dem Erdtrabanten sei die Verwendung von dort vorhandenen Baumaterialien, so Enrico Dini, Gründer von Monolite – dem Unternehmen, das den nötigen Drucker für die ESA entwickeln soll. Hauptbestandteil der »Tinte« soll der in großen Mengen existierende Staub, der so genannte Mondregolith, werden. Dieser Staub, so Dini, müsse zunächst mit Magnesiumoxid vermischt werden. »Die Struktur gebende Tinte stellen wir mit der Zugabe eines bindenden Salzes her, welches das Material in einen steinartigen Festkörper verwandelt.« Der Drucker selbst verfügt über eine mobile Ansammlung von Druckdüsen, die sich auf einem sechs Meter großen Rahmen befinden. Durchschnittlich baut er derzeit etwa 2 Meter pro Stunde. Die nächste Generation soll dann bereits 3,5 Meter schaffen.

»Ein weiteres nützliches Ergebnis war die Entdeckung einer europäischen Quelle für künstlichen Mondregolith«, sagt Dini. »Das Basaltgestein aus dem Zentralvulkan im Bolsenasee in Mittelitalien hat zu 99,8 Prozent Ähnlichkeit mit dem Mondboden.« Das ist nicht selbstverständlich – bisher musste simulierter Mondstaub technisch hergestellt werden, ein sehr teurer Prozess.

Vor dem Einsatz eines 3-D-Druckers auf dem Mond oder Mars müssen jedoch noch einige Probleme gelöst werden. Bisherige Druckverfahren funktionieren am besten bei Raumtemperatur, auf dem Mond herrschen jedoch Temperaturunterschiede zwischen -160 und 130 Grad Celsius. Außerdem muss noch abschließend geklärt werden, wie ein solches Verfahren im Vakuum oder in einer sehr dünnen Atmosphäre umgesetzt werden kann, da Flüssigkeiten, wie der Binder des Materials, in einer solchen Umgebung extrem schnell verdampfen.

Schwierigkeiten bereitet zudem die Mobilität und die Versorgung des Druckers mit den nötigen Druckmaterialien. 3-D-Drucker sind in aller Regel fest installierte Geräte, denen über einen Zugang die nötigen Druckkomponenten zugeführt werden. Anschließend werden die fertig gedruckten Objekte entfernt und an ihren Bestimmungsort gebracht. Das alles müssen eigens ausgebildete Fachleute erledigen – und menschliche Arbeitskraft wird auf Mond oder Mars wohl auf lange Sicht knapp und teuer sein.

Es bleibt schwierig

Dies bedeutet, dass Drucker sowohl mobil sein als auch über entsprechende Mechanismen verfügen müssen, die ihnen erlauben, Mondstaub einzusammeln und weiterzuverarbeiten. Dazu bedarf es eines deutlich flexibleren Geräts. Bei der NASA werden daher Überlegungen angestellt, wie das Problem gelöst werden könnte. 2010 stellte sie einen Roboter vor, der dazu benutzt werden soll, den Mond zu erforschen. Die Roboterspinne Athlete hat sechs Beine, die jeweils über sechs Freiheitsgrade verfügen und in Rädern enden.

Bauteil aus dem 3-D-Drucker | 1,5 Tonnen wiegt dieser auf der Basis künstlichen Mondregoliths gedruckte Baustein.

Nun soll dieser Roboter eine zusätzliche Aufgabe erhalten und mit einem 3-D-Drucker ausgestattet werden, der mit Hilfe von Mikrowellen unterschiedlicher Frequenz Eisenpartikel im Mondstaub schmelzen und zu einer festen Form verbinden würde. Durch seine Mobilität könnte so ein Roboter völlig unabhängig komplette Gebäude errichten – außerdem bräuchte Athlete im Gegensatz zum Druckerkonzept des ESA-Partners Monolite kein zusätzliches Mittel zur Bindung der Druckpaste, das aufwändig zur Baustelle transportiert werden müsste. Der NASA-Drucker schmilzt die einzelnen Druckkomponenten einfach durch Hitze zusammen.

Der erste marsianische Architekturwettbewerb

Die beschriebenen Schwierigkeiten, wie stark schwankende Temperaturen oder die fehlende Atmosphäre auf dem Mond, halten die NASA in der Zwischenzeit jedoch nicht davon ab, noch weiter zu denken. 2015 startete die Agentur den 3-D-Druck-Architekturwettbewerb »3D-Printed Habitat Challenge« – diesmal mit dem Ziel, ein buchstäblich druckreifes Marshabitat zu entwerfen. Den Sieg trug ein Team aus Wissenschaftlern und Architekten davon, die Eis aus dem Marsboden verdampfen und diesen Wasserdampf in der kalten Umgebung zu Bauteilen gefrieren lassen wollen. Die erste feste Behausung des Menschen auf dem Mars wäre dann eine Art Hightechiglu aus dem Drucker.

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