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Onkologie: Hilft häufiges Ejakulieren gegen Prostatakrebs?

Prostatatumoren gehören zu den am häufigsten diagnostizierten Krebsarten bei Männern in Industriestaaten. Kann eine einfache Handreichung das Risiko senken?
Ein Kaktus, der ein bisschen wie ein Phallus aussieht

In Deutschland werden jährlich mehr als 60 000 neue Prostatakrebsfälle diagnostiziert. Mit einem Anteil von 26 Prozent sind diese Tumoren das häufigste Karzinom bei Männern. Auch wenn über den Sinn und Unsinn der Früherkennungsmethoden bei Prostatakrebs gestritten wird, so besteht doch Einigkeit, dass eine frühe Behandlung bösartiger Fälle die Heilungschancen beträchtlich erhöht. Das Risiko, überhaupt Prostatakrebs zu bekommen, lässt sich jedoch womöglich durch eine einfache Maßnahme deutlich senken. Wie Jennifer Rider von der Harvard School of Public Health und ihr Team in "European Urology" berichten, reduziert eine hohe Ejakulationsfrequenz sichtlich die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Karzinom ausbildet. Oder einfacher ausgedrückt: Wer möglichst oft onaniert, bekommt statistisch gesehen seltener Prostatakrebs.

Für ihre Studie werteten sie die Gesundheitsdaten von 32 000 Männern aus, die im Rahmen einer groß angelegten Arbeit 1986 im damaligen Alter zwischen 40 und 75 Jahren erfasst worden waren. Am seltensten erkrankten demnach jene Teilnehmer an Prostatakrebs, die mindestens 21-mal pro Monat ejakulierten. Ihre Krankheitswahrscheinlichkeit lag um rund ein Fünftel niedriger als in der Vergleichsgruppe, die nur siebenmal pro Monat zum Höhepunkt kam. Dabei berücksichtigten Rider und Co auch, dass die Männer womöglich bei ihren Angaben übertrieben. Deshalb wurden sie im Jahr 1992 rückwirkend befragt, wie oft sie im Alter zwischen 20 und 29 beziehungsweise 38 bis 47 Jahren sowie im Jahr vor vor dem Versand des Fragebogens ejakuliert hatten. Rund 3800 Männer erhielten im Zeitraum bis 2010 die Diagnose Prostatakrebs. Etwa 2800 Studienteilnehmer gaben 1992 mehr als 20 Samenergüsse pro Monat an, 18 Jahre später wurde einem Zehntel von ihnen Prostatakrebs diagnostiziert – in der Vergleichsgruppe der eher inaktiven Männer waren es dagegen 13,3 Prozent. Letztere litten zudem häufiger an aggressiveren Tumorvarianten. Zwischen Sex und Selbstbefriedigung wurde in der Erhebung nicht unterschieden.

"Unsere Ergebnisse liefern erneut Belege dafür, dass häufigeres Ejakulieren im Erwachsenenalter es begünstigt, dass die Prostata gesund bleibt", so die Autoren der Studie. Unklar ist allerdings, warum dies der Fall sein soll. Einige Thesen argumentieren damit, dass der Samenerguss schädliche Stoffe und Bakterien aus der Drüse schwemmt, die dauerhaft Entzündungen und schließlich Krebs auslösen könnten. Die Prostata steuert Flüssigkeiten im Sperma bei, welche die Samenzellen aktivieren und verhindern, dass diese zusammenkleben. Für deren Produktion bezieht sie größere Konzentrationen an Kalium, Zink, Fruktose und Zitronensäure aus dem Blut. Gleichzeitig können sich in der Drüse aber auch Schadstoffe wie das Karzinogen 3-Methylcholanthren – das aus Zigarettenrauch stammt – anreichern, wenn nicht oft genug ejakuliert wird. Eine andere These geht davon aus, dass die Prostata nur durch Samenerguss heranreift und dadurch weniger anfällig wird. Eine hohe Frequenz soll diese Entwicklung beschleunigen.

Die Studie von Rider und ihren Kollegen liefert aber nur einen statistischen Zusammenhang und keine zu Grunde liegenden biologischen Mechanismen – was erst noch gesondert untersucht werden müsse, so die Mediziner. Ihre Stichprobe habe zudem ein ethnisches Ungleichgewicht, denn sie bestand vor allem aus weißen US-Amerikanern. Das Risiko für Prostatakarzinome liegt bei Afroamerikanern jedoch aus bislang noch unbekannten Gründen um 70 Prozent höher, so die Patienteninformation der American Society of Clinical Oncology. Unklar ist anhand der Daten vorerst zudem noch, ob Männer mit häufigen Samenergüssen nicht prinzipiell auch einen gesünderen Lebensstil pflegen: Das Prostatakrebsrisiko sinkt demnach ebenfalls, wenn Männer weniger rotes Fleisch, tierische Fette und Milchprodukte konsumieren und stattdessen öfter zu Obst und Gemüse greifen.

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