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Forensik: Hirsch nagt an menschlichen Knochen

Hirsche und Rehe gelten als harmlose Vegetarier. Doch eine Kamerafalle ertappte eines der Tiere, wie es sich an einem Toten gütlich tut. Was bezweckt es damit?
Ein Weißwedelhirsch streift über einen Friedhof

Die Body Farm der Texas State University ist eine ebenso wichtige wie gruselige Einrichtung: Auf dem zehn Hektar großen Gelände verwesen gespendete Leichen in freier Natur, um Forensiker mit Datenmaterial zu menschlichen Abbauprozessen zu versorgen. Bei der Aufklärung beispielsweise von Mordfällen leisten sie wichtige Hilfe. Um zu überprüfen, welche Tiere sich an den Toten zu schaffen machen, verwenden die Wissenschaftler Kamerafallen, die bei Bewegung auslösen. Einer dieser Apparate zeichnete nun ein besonderes Verhalten auf, das zuvor noch nie registriert worden war, wie Lauren Meckel und ihr Team im "Journal of Forensic Sciences" berichten. Einige der geschossenen Fotos zeigen eine Weißwedelhirschkuh, die mehrfach an menschlichen Knochen nagt.

Kamerafallenbild eines Hirschs mit Knochen | Dieser Weißwedelhirsch kaut auf dem trockenen Knochen eines Leichnams – wahrscheinlich um an Minerale zu gelangen.

Der Leichnam lag zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits seit 182 Tagen im Gelände, und unter anderem Geier hatten den größten Teil des weichen Gewebes zu diesem Zeitpunkt verzehrt. Mindestens zweimal im Januar 2015 fand sich dann die Hirschkuh ein, um selbst an den Überresten nach Verwertbarem zu suchen. Auf einem der Bilder hält sie einen großen Knochen wie eine Zigarre im Maul. Ganz ungewöhnlich ist das Verhalten allerdings nicht, denn vorherige Studien hatten erbracht, dass Rehe und Hirsche gelegentlich auf Tierknochen kauen – wahrscheinlich um sich mit Nährelementen wie Kalzium zu versorgen, die in der Natur bisweilen Mangelware und vor allem im Winter nur schwer zugänglich sind. Bei Gelegenheit fressen die allgemein als Vegetarier betrachteten Tiere sogar Fleisch oder Eier, wie ebenfalls Fotofallen festgehalten haben. Der Begriff "Pflanzenfresser" treffe also nicht immer zu, so die Forscher.

Auch für die Forensik bedeuten diese Erkenntnisse, dass auch in diese Richtung mitgedacht werden müsse, wenn die Wissenschaftler verwitterte Knochen betrachten. Meckel und Co haben deshalb die Überreste sichergestellt und die markanten Gebissabdrücke eingehend untersucht, um für zukünftige Fälle gewappnet zu sein.

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