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News: Hoffnung für Bluter

Königin Viktoria ist sicherlich eine der berühmtesten Personen, die einer ganzen Reihe ihrer Nachkommen eine unwillkommene Krankheit vererbte - Hämophilie, die Bluterkrankheit. Bei den Betroffenen verursachen selbst kleine Wunden unkontrollierbare Blutungen. Ein ganzes Jahrhundert später sind wir weit besser dran was die Minderung der Symptome betrifft, aber immer noch gibt es über diese Krankheit eine ganze Menge zu lernen. Wissenschaftler konnten nun die Strukturen der Membran-Bindungsstellen von zwei Blutgerinnungsfaktoren aufklären.
Hämophilie beruht auf Fehlern in einem der zahlreichen Proteine, die sich bei einer Verletzung von Blutgefäßen an die Membranen der Blutplättchen heften. Diese Blutgerinnungsfaktoren unterstützen die Bildung des faserartigen Proteins Fibrin, aus dem Gerinnsel vorwiegend bestehen. Die Mechanismen im Allgemeinen sind gut untersucht und bekannt, die Anheftung an die Membranen als erster Schritt ist aber noch rätselhaft.

Barry L. Stoddard und seine Kollegen vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle konnten die Struktur der Membran-Bindungsstelle des Blutgerinnungsfaktors VIII aufklären. Sie enthält 24 Stellen, an denen Mutationen die Krankheit auslösen können. Offensichtlich liegen diese verwundbaren Abschnitte entweder tief im Inneren des Kerns dieser Region oder auf zwei äußeren Bereichen. Die Flächen wechselwirken nach Ansicht der Autoren mit anderen Teilen des Faktor-VII-Proteins oder mit dem sogenannten "Von Willebrand-Faktor", der bei der Gerinnung mit dem Faktor VII zusammenarbeitet (Nature vom 25. November 1999).

Viele Bluter erhalten den Faktor VIII als Teil ihrer Behandlung regelmäßig gespritzt. Dabei besteht jedoch immer die Gefahr, daß das Immunsystem des Patienten Antikörper gegen das fremde Protein bildet – so wie auch transplantierte Organe abgestoßen werden. Die meisten Abwehrreaktionen richten sich genau gegen die von Stoddards Arbeitsgruppe untersuchten Regionen. Mit einer genauen Analyse der Oberfläche dieses Proteins könnten daher nach Ansicht der Wissenschaftler vielleicht diejenigen Regionen herausgefunden werden, welche die Immunreaktion auslösen. Daraus ließen sich dann womöglich auch Gegenmaßnahmen entwickeln.

Stoddards Arbeitsgruppe entdeckte außerdem die Bindungsstelle für die Blutplättchen-Membranen bei Faktor VIII. Überraschenderweise enthielt diese nur eine Stelle, an der Mutationen Hämophilie auslösen können.

Die Struktur der entsprechenden Region bei dem nahe verwandten Faktor V erklärt jedoch, warum die spezifische Ausprägung der Oberfläche weniger wichtig ist als die Gesamtgestalt. Wolfram Bode und seine Mitarbeiter vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München entschlüsselten wie ihre Kollegen in Seattle sowohl die Struktur der gefalteten oder 'geschlossenen' Version der Protein-Domäne als auch die der offenen Konformation. Damit untersuchten beide Forschungsgruppen Regionen, die extrem gut für die Bindung an die äußere Oberfläche der Blutplättchen-Membranen geeignet wären. Die Gruppe in Martinsried untersuchte das Protein jedoch unter geringfügig anderen Bedingungen. Dabei entdeckte sie in der offenen Konformation des Faktors V drei Schlaufen, die aus der Oberfläche herausragen. Diese Schlaufen sind hydrophob, so daß sie im Inneren von Blutplättchen-Membranen weitaus stabiler wären als im wäßrigen Blut (Nature vom 25. November 1999).

Daher vermuten die Wissenschaftler, daß Faktor V wie Faktor VIII im Blutkreislauf nur in der gefalteten Form zirkulieren. Sobald sie jedoch an die Membranen der Blutplättchen binden sollen, "öffnen" sie sich und verankern sich mit ihren hydrophoben "Haken". Mit anderen Worten: Die beiden Blutgerinnungsfaktoren binden nicht mit spezifischen Abschnitten an die Membranen, sondern durch die koordinierte Bewegung einer ganzen Region.

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