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Mysteriöser Urmensch: Homo-naledi-Fossilien offenbar verblüffend jung

Rund 250 000 Jahre alt soll er sein, der urtümliche Homo naledi. Das heißt: Er lebte wohl Seite an Seite mit frühen modernen Menschen. Und: Es gibt noch mehr Skelette als gedacht.
Hand des Homo naledi

Auf Homo naledi können sich Forscher seit jeher keinen Reim machen. Der Urmensch, von dem mindestens 15 Individuen in einer praktisch unzugänglichen Höhle in Südafrika gefunden wurden, ist aus Sicht der Anatomie teils altertümlich, teils modern. Größte Schwierigkeit bei der Interpretation des Funds: Niemand wusste, ob die Fossilien am Ende zwei Millionen Jahre oder 50 000 Jahre alt sein würden. Das Ausgräberteam um Lee Berger von der University of the Witwatersrand war bislang an der Datierung gescheitert.

Nun platzte die Bombe auf eher unkonventionelle Weise. Auf Twitter machte ein Foto der jüngsten Ausgabe von "National Geographic" die Runde, in der Berger im Interview sein neuestes Buch bewirbt. "Homo naledi", erklärt der Wissenschaftler im Magazin, "ist zwischen 200 000 und 300 000 Jahre alt." Das sei die beste Schätzung, die er geben könne. Gerüchten zufolge war eine Fachveröffentlichung für Anfang 2017 angekündigt, aber immer wieder verschoben worden. Gleiches galt für Bergers Buch. Möglicherweise wurde das Interview nun schlicht zu früh publiziert. Jedenfalls reiben sich Fachkollegen verwundert die Augen und warten auf ein begutachtetes Paper. Im Interview mit der "BBC" bestätigte Bergers Teamkollege John Hawks von der University of Wisconsin in Madison allerdings die Altersangabe.

Sollte die Altersbestimmung Bestand haben, würde dies dem Fund eine gänzlich neue Volte geben, denn es hieße, dass Homo naledi gleichzeitig mit dem frühen Homo sapiens koexistierte. Dass es solche, wie "lebende Fossilien" wirkende Hominiden bis in jüngste Zeit gab, ging auch aus einer Anzahl anderer Studien der letzten Jahre hervor. Zuletzt stellten Wissenschaftler den Flores-Menschen aus Südostasien in diese Reihe: Auch diese Art scheint sich vor mehr als anderthalb Millionen Jahren vom Stammbaum der Menschen abgespalten zu haben und seine urtümlichen Merkmale bis vor gut 60 000 Jahren konserviert zu haben. Immer mehr deutet darauf hin, dass die Umwelt des frühen Homo sapiens von einem bunten Gemisch diverser Menschenformen bevölkert wurde. Welche Rolle der moderne Mensch dabei spielte, dass am Ende auf einmal nur noch eine einzige davon übrig blieb, ist offen. Es gibt allerdings ein paar naheliegende Vermutungen.

Die Fundumstände des Homo naledi sind wahrhaft einzigartig: Berger und Team fanden in der Rising-Star-Höhle in einer versteckten Kammer die Überreste von 15 Individuen. Wie diese dorthin gelangten, ist unklar. Die Wissenschaftler glauben, natürliche Ursachen zu nahezu 100 Prozent ausschließen zu können, womöglich sind sie also auf das Resultat einer Art Bestattung gestoßen – was für viele Fachkollegen schon immer eine unbequeme Vorstellung war angesichts von H. naledis Miniaturgehirn. Dessen junges Alter lässt es nun jedoch auch möglich erscheinen, dass eine modernere, intelligentere Menschenspezies die Hände im Spiel gehabt haben könnte.

Durch die Wortmeldungen von Berger und Hawks wird nun auch offenbar, dass das Team zwischenzeitlich eine weitere Kammer ausgegraben hat, in der sie mindestens drei weitere Individuen fanden, darunter ein "ziemlich cooles Teilskelett mit Schädel", so Hawks gegenüber der "BBC". In dieser Kammer soll den Wissenschaftlern auch die Datierung gelungen sein. Wie genau sie ist, wird sich wohl erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.

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