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News: Hormoneller Leitungskapper

Haben sich Tumoren erst einmal in unseren Blutkreislauf eingeklinkt, erhalten sie Nahrung und Sauerstoff in Hülle und Fülle - beste Voraussetzungen, um stetig wachsen und verhängnisvolle Tochtergeschwüre aussenden zu können. Doch ein kleines, körpereigenes Hormon könnte zukünftig diesen folgenschweren Anschluss verhindern.
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Täglich durchfließen unzählige Liter Blut unseren Körper und versorgen uns mit allem, was uns am Leben erhält. Der reibungslose Transport unseres "Lebenssaftes" wäre ohne die zahlreichen Blutgefäße jedoch nur bedingt möglich, denn mit Hilfe des ausgeklügelten und weitreichenden Gefäßsystems erhalten selbst die entlegendsten Zellen noch Nährstoffe und Sauerstoff.

Normalerweise bilden sich neue Blutgefäße aus bereits existierenden Gefäßen während der so genannten Angiogenese nur dann, wenn beispielsweise Verletzungen oder der weibliche Zyklus es erfordern. Doch seit den siebziger Jahren weiß man, dass auch Krebsgeschwüre sich diesen Vorgang zu Nutze machen – und damit einen der ersten schicksalshaften Schritte zur Kontrolle unseres Körpers vollziehen.

Um ihre unersättliche Gier zu stillen, senden Tumoren spezielle Lockstoffe aus, wodurch sich aus umliegenden Blutgefäßen neue Gefäße bilden und in ihre Richtung wachsen – eine plausible, aber fatale Reaktion, denn die gefährliche Geschwulst hat sich damit nicht nur freien Zutritt zu einer unerschöpflichen Nahrungsquelle, sondern auch zum Rest unseres Körpers verschafft.

Auch die Arbeitsgruppe um Judith Varner von der University of California in San Diego beschäftigt sich mit der tumorinduzierten Angiogenese, genauer gesagt mit den Möglichkeiten, sie zu verhindern. Denn unterbindet man die Anbindung des Tumors an den Blutkreislauf, kann man ihn quasi "aushungern" – zurück bleibt meist nur ein verkümmertes Restgeschwür.

Die Forscher um Varner haben nun ein kleines, körpereigenes Hormon – PTHrP – entdeckt, dessen antiangiogenen Eigenschaften alle verblüffte. Der Hoffnungsträger ist ein mit dem Parathormon verwandtes Peptid, welches den Calcium-Spiegel, die Knochenbildung sowie den Gefäßtonus reguliert. Interessanterweise wird es jedoch auch von einigen Tumoren produziert, wodurch Knochen angegriffen und anschließend von Metastasen besetzt werden können.

Doch in verschiedenen Versuchen zeigten die Wissenschaftler, dass PTHrP schon in äußerst geringen Mengen das vom Tumor veranlasste Blutgefäßwachstum versiegen lässt. Als Folge davon wuchsen derart behandelte Tumoren innerhalb von zehn Tagen nur um etwa 30 Prozent, während unbehandelte Krebsgeschwüre im gleichen Zeitraum ihre Größe verdoppelten.

Nach Ansicht der Forscher aktiviert PTHrP auf molekularer Ebene die Proteinkinase A (PKA), wodurch sich anschließend die gefäßbildenden Endothelzellen nicht mehr teilen können, ihre Mobilität verlieren und letzten Endes absterben. Dieses Schicksal erleiden jedoch vorteilhafterweise nur die durch Tumor-Lockstoffe stimulierten Gefäßzellen. Als "ruhend" bezeichnete Blutgefäße sprechen auf PTHrP nicht an und bleiben somit erhalten.

Obwohl man außer PTHrP bereits zuvor einige andere, ebenfalls von Tumoren produzierte Angiogenese-Hemmer entdeckte, verspricht sich Judith Varne schon bald eine mögliche Anwendung ihrer Ergebnisse in der Krebs-Therapie. Demnach könnten spezielle Partikel oder Biokonjugate die DNA-Sequenz für PTHrP in betroffene Endothelzellen einschleusen, damit diese dann den "Verlockungen" des Tumors erfolgreich widerstehen können.

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