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Biologische Verteidigung: Hummeln verscheuchen Parasiten mit Nikotin-Nektar

Im Kampf gegen das Bienensterben setzen einige Forscher auf natürliche Pflanzengifte: Alkaloide wie Nikotin sollen Insekten schonen und ihre Krankheiten heilen. Kann das klappen? Das bleibt unklar: Noch weiß man offenbar zu wenig über Wirkung und Kollateralschäden der Pflanzengifte im Ökosystem.
Erdhummel auf Blüte

Tabakpflanzen produzieren ihr Nikotin nicht für die Rauchwarenindustrie, sondern um sich selbst angesichts hungriger Raupen und anderer Fraßfeinde ungenießbar zu machen und dadurch zu schützen. Die Giftmischerstrategie ist allerdings kostspielig und birgt Gefahren: Denn schädigen Toxine im Blütennektar der Pflanzen nicht vielleicht auch Hummeln und Bienen, also die Bestäuber, die für die Fortpflanzung und Verbreitung überlebensnotwendig sind? Womöglich schon, meinen nun Biologen aus Dänemark nach einigen Experimenten – unter dem Strich kann Gift die Bestäuber aber sogar gesünder machen, weil es den häufigsten Parasiten von Biene und Co noch stärkeren Schaden zufügt.

Die Forscher ermittelten dies in einem Vergleich, für den sie Hummeln an Blüten saugen ließen, die verschiedene natürliche Pflanzenverteidigungsgiftstoffe wie etwa die Alkaloide Nikotin und Koffein sowie Terpenoide oder bestimmten Glycoside enthielten. Die Hälfte der Testhummeln war zuvor außerdem mit Crithidia bombi infiziert worden, einem einzelligen, für die Insekten oft tödlichen Parasiten. Wie sich zeigte, reduzierte sich die Zahl dieser Erreger in den Insekten aber teilweise deutlich – um bis zu 81 Prozent –, sobald sie Nektar mit pflanzlichen Abwehrstoffen aufnahmen.

Besonders wirksam war dabei das mit dem Nikotin verwandte Alkaloid Anabasin, das auch in Tabakrauch nachgewiesen wird: Einige damit gefütterte Hummeln waren sogar alle ihrer Parasiten nach einer Woche los. Zwar, schränken die Forscher ein, konnten sie nicht zeigen, dass die Hummeln dadurch auch länger lebten. Sicher aber werde die Verbreitung des Parasiten im Stock durch die Wirkung des Alkaloids stark eingeschränkt. Das sollte man im Auge behalten, wenn man in Zukunft womöglich Maßnahmen plant, Hummeln oder Bienen im Freiland gegen Parasitenbefall zu schützen. Es sei außerdem auffällig, dass in ihrem Versuch die Insekten selbst kaum durch das Alkaloid geschädigt wurden – andere Experimentatoren hatten zuvor das Gegenteil herausgefunden, hier sind also weitere Experimente dringend angeraten.

Die Bedeutung der Alkaloide und anderer Gift- und Suchtsubstanzen im Nektar von Pflanzen wird in der Forschergemeinde seit langer Zeit gerne untersucht und erklärt. So spekulierte man bereits, dass Bienen von den Blütenpflanzen in eine Suchtabhängigkeit getrieben werden, die den Besuch der Blüten durch die Bestäuber sicherstellen soll. Andere Wissenschaftler haben darauf hingewiesen, dass Nikotin im Nektar Blüten fressende Insekten verjagt und kombiniert mit Lockstoffen Bestäuber noch stärker anzieht. Insgesamt scheint sich die biochemisch kostspielige Produktion der Substanzen für die Pflanze also in mehrfacher Hinsicht zu lohnen.

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