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Biomechanik: Hunde kriegen besser die Kurve

Die Natur hat den Menschen offenbar geradlinig angelegt - zumindest was das Laufen anbelangt. Beim Abbiegen müssen wir Zweibeiner ein wenig das Tempo drosseln, um nicht aus der Bahn getragen zu werden. Ein Problem, mit dem Hunde sich nicht herumschlagen müssen.
Anka im Galopp
"Der tut nichts, der will nur spielen!" Und das natürlich ohne Leine. Warum auch? Ist ja schließlich mitten im Wald, und die paar Wildtiere werden sicherlich erfreut sein, gelegentlich mitspielen zu dürfen. Von den Joggern ganz zu schweigen, die immer wieder begeistert sind von den motivierenden spielerischen Bissen in die Waden. Was soll mensch dagegen schon tun, wenn hund freudestrahlend seinen Jagdtrieb ausleben möchte? Weglaufen jedenfalls nicht, denn der Vierbeiner ist schneller. Vor allem in den Kurven, wie die britischen Wissenschaftler James Usherwood und Alan Wilson vom Royal Veterinary College nun theoretisch belegt haben.

Wie schnell es sich um die Ecke läuft, hängt nämlich davon ab, mit welcher Geschwindigkeit man die Beine schwingen kann und wie gut man während des Bodenkontaktes mit den wirkenden Kräften klar kommt. Denn anders als beim schnurgeraden Lauf, für den lediglich die Schwerkraft und der Luftwiderstand zu überwinden sind, kommt in den Kurven die Fliehkraft hinzu. Diese zusätzliche Komponente muss ausgeglichen werden, will der Läufer nicht aus der Kurve fliegen.

Beim Zweibeiner bedeutet das: längerer Bodenkontakt, um mit der Muskulatur von Fuß und Bein die Fliehkraft auszugleichen. Längerer Bodenkontakt pro Schritt ist aber gleichbedeutend mit geringerem Tempo – der Läufer wird in Kurven langsamer. So sehr, dass der internationale Leichtathletikverband kürzlich beschlossen hat, in der Halle keine Meisterschaften im 200-Meter-Lauf mehr auszutragen. Die Sportler auf den Innenbahnen waren wegen der stärkeren Krümmung ihres Weges einfach zu sehr benachteiligt, um noch faire Wettkämpfe zu ermöglichen.

Anders bei den Hunden. Die britischen Forscher analysierten Hochgeschwindigkeitsvideos von Wettkampf-Windhunden und stellten fest, dass die Pfoten in Kurven wie auf Geraden den Boden ziemlich gleich lang berühren. Dementsprechend ging die Jagd nach dem künstlichen Hasen auch in der Biegung mit unvermindertem Schwung weiter. Als gäbe es für Vierbeiner keine Fliehkraft.

Windhunde beim Wettkampf | Mit vier Beinen geht's schneller um die Kurve als mit zweien: Windhunde beim Wettkampf
Der Trick der rasenden Hetzjäger lautet: Arbeitsteilung. Wer vier Pfoten hat, kann es sich leisten, stabilisierende und vorantreibende Aufgaben zu verteilen. Die Berechnung der Kräfte, die beim Bodenkontakt auf die Beine wirken, zeigt, dass vor allem die vorderen Gliedmaßen in den Kurven erheblich stärker belastet werden als auf den Geraden. Mit ihnen sorgen die Hunde dafür, in der Spur zu bleiben. Den Motor drosseln sie dafür nicht. Indem sie die Hinterbeine in den Hüften drehen und obendrein den Rücken beugen und strecken, erzeugen sie ungebremsten Schub nach vorne. Quasi ein Heckantrieb mit extrem belastbarer Frontsteuerung.

Ein ähnliches Prinzip benutzt der sportliche Mensch, wenn er mit dem Fahrrad unterwegs ist. Bei guter Bodenhaftung erlaubt das Gerät ihm in den Kurven eine bessere Schräglage, als es die Anatomie des Fußes gestatten würde. Außerdem können die Beine unbeirrt kurbeln, während die Arme sich um die Fahrtlinie kümmern. Vier Pfoten oder zwei Räder – aber nur eine Kurventechnik. Vielleicht ist das der wahre Grund, warum sich auch Hunde und Radfahrer so gern in die Quere kommen?

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