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Weltraumchemie: Im All köchelt es organochemisch komplex

Orionnebel
Aus den Spektren von Sternen, Galaxien oder Molekülwolken können Astronomen deren chemische Zusammensetzung ableiten. Allerdings lassen sich dabei längst nicht alle beobachteten Spektrallinien einem Atom oder Molekül zuordnen. Nun vermuten Sun Kwok und Yong Zhang von der Universität Hongkong, dass bisher unidentifizierte Emissionslinien im Infrarotbereich von organischen Verbindungen stammen, die ähnlich auch in Meteoriten vorkommen. Die Struktur der "Absender" wäre damit viel komplexer als bislang angenommen.

Als Ursprung der unbekannten Spektrallinien bei Wellenlängen zwischen 3 und 20 Mikrometern führen Wissenschaftler häufig polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) an: einfache organische Moleküle aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen. Obwohl man inzwischen über 160 Moleküle im Weltraum identifizierte, zählte keines davon zu den PAKs, berichten Kwok und Zhang. Die beiden stießen in Archivdaten des Infrared Space Observatory sowie des Spitzer-Weltraumteleskops nun zudem auf spektrale Eigenschaften, die PAKs nicht erklären können.

Komplexe organische Verbindung | So könnte die organische Verbindung aussehen, die bisher unidentifizierte Strahlung mit infraroten Wellenlängen aussendet. Die Struktur weist eine unorganisierte Anordnung von kleinen Einheiten aus aromatischen Ringen auf, verbunden durch verschiedene Arten von aliphatischen Ketten. Zudem sind häufig Verunreinigungen durch Sauerstoff-, Stickstoff- und Schwefelatome vorzufinden. Die gezeigte Verbindung enthält etwa 100 Kohlenstoffatome.
Infolgedessen glauben die Forscher, dass deutlich komplexere Strukturen die infraroten Wellenlängen aussenden. Am besten würden die beobachteten Merkmale mit amorphen organischen Feststoffen übereinstimmen, die sowohl ringförmige (aromatische) als auch kettenförmige (aliphatische) chemische Strukturen aufweisen. Neben Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten diese Verbindungen womöglich auch andere im All häufige Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff oder Schwefel. Mehrere solcher Strukturen könnten sich dann zu nanometergroßen Partikeln zusammenschließen. Interessanterweise seien diese ähnlich aufgebaut wie komplexe organische Verbindungen, die man in bestimmten Meteoriten – so genannten kohligen Chondriten – fand, schreiben Kwok und Zhang.

In Novae, das sind Helligkeitsausbrüche von Sternen, würden sich zudem dieselben komplexen organischen Verbindungen bilden und in das Weltall hinausgeblasen. Trotz niedriger Dichte entstünden die Partikel hier auf extrem kurzen Zeitskalen von nur wenigen Wochen, erläutert Kwok. "Theoretisch ist dies unmöglich, aber Beobachtungen zeigen uns, dass es passiert."

Die Ähnlichkeit der chemischen Strukturen, die sich sowohl in Meteoriten als auch in Sternstaub auffinden lassen, könnten den Autoren zufolge darauf hindeuten, dass andere Sterne die Gas- und Staubwolke, aus der sich einst unsere Sonne und auch primitive Meteoriten formten, mit organischen Verbindungen anreicherten. In solchen ursprünglichen Meteoriten sind bereits seit Langem nanometergroße Minerale bekannt, die ihren Ursprung vermutlich in einem fernen Sternsystem haben. (mp)

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