Direkt zum Inhalt

News: Immer einen kleinen Schritt voraus

Die Rekordsucht der Sportler kennt keine Grenzen. Für den heiß begehrten Platz auf dem Siegertreppchen schinden sie sich jahrelang. Doch für manchen kommt plötzlich das Aus: Unzulässige leistungsfördernde Substanzen im Urin oder Blut zeigen an, dass der Athlet neben hartem Training noch zu anderen Hilfsmitteln gegriffen hat, um seine Konkurrenten zu übertrumpfen. Doch lange nicht alle Mittel lassen sich so einfach nachweisen. Darum suchen Wissenschaftler mit Hochdruck nach neuen Methoden, um Doping-Sündern auf die Spur zu kommen. Aber das hat seinen Preis, und Geld ist knapp. Und schon haben die Medaillenhoffnungen wieder die Nase vorn.
Nicht nur auf der Aschenbahn finden Rennen statt, die Sportler oder ihre Betreuer liefern sich zusätzlich einen Wettlauf mit Anti-Doping-Experten. Zwar geht immer ein Aufschrei der Empörung durch die Medien, wenn die Urinprobe wieder einen Fall von unerlaubten leistungssteigernden Mitteln aufdeckt. Manche Athleten verlieren dann ihre Gold-Medaille, wie der Sprinter Ben Johnson 1998. Gelegentlich stellen sich die Vorwürfe auch als nicht gerechtfertigt heraus, weil bei der Untersuchung Fehler gemacht wurden. Aber trotz der Androhung langjähriger bis hin zu lebenslanger Sperre greifen viele Sportler doch immer wieder zu den illegalen Doping-Mitteln.

Auch im Vorfeld der Olympischen Spiele 2000 in Sydney gab es wieder zahlreiche Diskussionen. Als einen ganz entscheidenden Schritt im Kampf gegen Doping wertet Alison Abbott, Nature-Korrespondentin für Europa, in der Ausgabe vom 14. September 2000 die erstmalig stattfindenden Tests auf Erythropoietin (EPO), das als Dopingmittel bei der Tour de France 1998 traurige Berühmtheit erlangte. Das Hormon fördert die Bildung von roten Blutkörperchen und steigert somit die Sauerstoffversorgung von Gewebe und Muskeln – eine begehrte Eigenschaft für Ausdauersportler. Da unser Körper EPO in den Nieren aber selbst herstellt, konnte ein Missbrauch des Mittels bisher nicht nachgewiesen werden. Der in der Medizin und im Sport eingesetzte Stoff wird jedoch gentechnisch aus Säugetierzellen hergestellt, und obwohl die Aminosäuresequenz des rekombinanten EPO identisch mit der natürlichen Vorlage ist, unterscheiden sie sich in der Anzahl der Zuckerreste an den Molekülen und damit in ihrer elektrischen Ladung. An diesem Punkt setzt der von L. Lasne und J. de Ceaurriz vom Laboratoire National de Depistage du Dopage in Chatenay-Malabry entwickelte Test an: Sie trennen die EPO-Bestandteile des Urins elektrophoretisch auf und können so feststellen, ob ein Sportler das Hormon genommen hat oder nicht (Nature vom 8. Juni 2000).

Zur Absicherung soll noch ein weiterer EPO-Test zum Zuge kommen, den Michael Ashenden und seine Mitarbeiter am Australian Institute of Sport ausgetüftelt haben. Sie messen die Konzentration des Hormons und vier weiteren Faktoren, die von einem höheren EPO-Wert beeinflusst werden. Dafür allerdings sind Blutproben nötig, während die Sportler bisher nur Urin abgeben mussten. Strafen gegen Sportler will das Internationale Olympische Komitee (IOC) aber nur verhängen, wenn sie beide Tests nicht bestehen. Da das Hormon jedoch innerhalb von zwei bis drei Tagen vom Körper abgebaut wird, ist es recht unwahrscheinlich, dass Dopingsünder gefunden werden.

Doch selbst wenn schärfere Kontrollen den Missbrauch einiger Mittel einschränken können, stehen immer noch genug Alternativen auf der Liste, die unerkannt bleiben. Zum Beispiel hGH – das menschliche Wachstumshormon. Mit einem gentechnisch hergestellten Medikament behandelten Mediziner kleinwüchsige Menschen, aber auch Sportler nutzten bald den Effekt, dass es unter anderem den Aufbau von Muskelmasse fördert. Peter Sonksen und seine Mitarbeiter am St. Thomas Hospital in London stellten dem IOC im Januar 1999 sogar einen Test für die verbotene Substanz vor. Unabhängig davon entwickelte ein Team um Christian Strasburger von der Ludwig Maximilians-Universität München einen direkten Nachweis des Hormons im Blut. Das hGH liegt nämlich in verschiedenen Varianten vor, deren Molekülmassen sich unterscheiden. Und während im menschlichen Körper die beiden Hauptbestandteile etwa im Verhaltnis eins zu eins auftreten, überwiegt bei dem gentechnisch hergestellten Produkt der eine Typ zu 95 Prozent.

Nur noch ein kleiner Schritt fehlte den Forschern, damit ihre Tests allgemein einsetzbar sind: Die Überprüfung, ob sich die Laborergebnisse im großen Maßstab bestätigen, also eine abschließende Gültigkeitsprüfung. Doch die scheiterte am Geld. Sonksen schätzt, dass sich die Kosten dafür auf etwa fünf Millionen US-Dollar belaufen würden, und das war dem IOC schlicht zuviel. Bei Sonksen stehen nun Tausende von Proben in der Gefriertruhe, und das Projekt liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis. Die Deutsche Sporthochschule in Köln fördert immerhin die Überprüfung von Strasburgers Test, bei der auch einige von Sonksen Proben dabei sein werden.

Hoffnung setzen die Wissenschaftler vor allem in die kürzlich gegründete World Anti-Doping Agency mit Sitz in Lausanne. Sie soll in Zukunft die Doping-Kontrolle vom IOC übernehmen. Allerdings ist sie finanziell vom IOC sowie von nationalen Sportverbänden abhängig. Und während so die zuständigen Kontrollexperten in den Instituten um die notwendigen Mittel kämpfen müssen, entwickeln Forscher auf Seite der Sportler bereits neue Mittel, die sich nicht nachweisen lassen. Dann sind sie wieder den kleinen, aber entscheidenden Schritt voraus.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.