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News: Immer mit der Ruhe

Wie die Katastrophen 1985 im Brüsseler Heysel-Stadion oder während des Open-Air Festivals im dänischen Roskilde Anfang Juli 2000 zeigen, ist Panik häufig die Ursache für unzählige Todesopfer. Wie sich Menschen in Paniksituationen bewegen, ist für Architekten und Städteplaner überaus wichtig. Deshalb haben Forscher solche Situationen mit einem Computermodell simuliert, indem sie den einzelnen Menschen physikalische Eigenschaften zuordneten.
Feierabend: Die Menschen strömen aus den Büros, es wird eng, man kommt sich unangenehm nahe, bleibt aber höflich und ist froh, endlich draußen zu sein.

Feueralarm: Hals über Kopf drängt die ganze Masse dem Ausgang entgegen. Rauch vernebelt die Sicht und jeder ist froh, jemanden vor sich zu haben, der die Richtung ins Freie vorgibt. Doch die zweite Tür zum Treppenhaus wird in der Panik übersehen.

Beide Szenarien spielen bei der Konstruktion größer Gebäude, Plätze oder U-Bahn-Anlagen eine bedeutsame Rolle. Entscheidend ist dabei insbesondere das Verhalten der Menschen in einem Notfall. Dann nützt oft die beste Planung nichts, denn in Panik geratene Menschenmassen sind nicht in der Lage, mit kühlem Kopf den optimalen Ausweg zu suchen.

Dirk Helbing vom Institut für Wirtschaft und Verkehr der TU-Dresden und einige ungarische Kollegen haben versucht, das Verhalten von Menschen in einer solchen Situation mithilfe physikalischer Größen zu beschreiben. Normalerweise verwenden Wissenschaftler dafür Modelle, die auf Strömungsverhalten in Flüssigkeiten beruhen und nur bestimmte Eigenschaften, wie Masse und Volumen des bewegenden Elementes berücksichtigen. Das Team erhielt aber sehr viel realistischere Ergebnisse, indem sie noch bestimmte Verhaltensweisens mit einbezogen: Sie ordneten den Menschen auch anziehende und abstoßende Kräfte zu (Nature vom 28. September 2000). Während im Normalfall nämlich darauf geachtet wird, untereinander einen gewissen Abstand zu halten, so rücken die Menschen umso enger zusammen, je hektischer es zugeht.

Dem Modell liegt die optimale Geschwindigkeit zugrunde, mit der sich eine Menschentraube bewegt. Wird sie überschritten, gerät sie aus den geordneten Bahnen, und Panik bricht aus. Der Wunsch des Einzelnen nach schnellerem Vorwärtskommen führt zu Rempeleien oder sogar Stürzen. An Türen staut sich der Strom, und die Folge ist, das gar nichts mehr geht. Obwohl jeder versucht, dem Raum möglichst schnell zu entfliehen, wird dies plötzlich unmöglich.

Noch schwieriger gestalten sich derlei Situation, wenn der Einzelne gar nicht weiß, wo es zum rettenden Ausgang geht. Dann halten sich die Menschen nur noch an den nächstbesten Partner, folgen also blind den anderen. Alternative Fluchtwege werden so gar nicht mehr wahrgenommen.

Die Computermodellierungen verschiedener Szenarien haben gezeigt, dass der Herdentrieb in begrenztem Umfang nützlich sein kann, denn auf diese Weise können viele Menschen der Gefahr entkommen. Allerdings besteht an den Ausgängen die Gefahr zu großen Andranges, deshalb gilt es für den Einzelnen, kühlen Kopf zu bewahren und wachsam nach anderen Ausgängen zu suchen.

Nun wollen die Forscher ihre theoretischen Ergebnisse mit Filmaufnahmen von Katastrophen vergleichen. Schon jetzt empfehlen sie den Architekten breitere Ausgänge und asymmetrisch angeordnete Säulen in Richtung der Fluchtwege. Sie könnten helfen, dass die drängelnden Massen die Türen weniger leicht verstopfen.

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