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Herxheim: In der Not zu Menschenfressern?

GDKE Rheinland-Pfalz, Direktion Landesarchäologie – Speyer
Seit 1996 gibt ein seltsames Massengrab in der Pfalz Rätsel auf. In Herxheim nahe Karlsruhe waren damals in einer rund 7000 Jahre alten Siedlung die Gebeine von fast 500 Menschen gefunden worden – darunter auch solche von Säuglingen und Kindern. Viele Knochen wiesen verdächtige Spuren auf, sodass Forscher zunächst davon ausgingen, dass sie hier auf die Zeugnisse eines Massakers gestoßen waren. Später dann mehrten sich Hinweise darauf, dass es sich bei dem Fundort um eine überregionale rituelle Begräbnisstätte handelte. Keramiken und andere Grabbeigaben lassen vermuten, dass hier nicht nur die Toten aus der näheren Umgebung ihre letzte Ruhe fanden, sondern teils von weither stammten.

An ein friedliches Ende der Toten von Herxheim will Bruno Boulestin nun nicht mehr glauben. Der Anthropologe von der Université Bordeaux hat an etlichen der Knochenreste Schnitt-, Kratz- und sogar menschliche Bissspuren nachgewiesen. Viele Knochen seien zudem mutwillig zertrümmert worden. Von den Schädeln fanden sich oft nur die Decken. Boulestin ist überzeugt: Hier wurden über Jahrzehnte hinweg Menschen getötet, zerstückelt – und verzehrt. Viele der Gebeine ähneln demnach den Knochen von am Spieß gebratenen Tieren.

Womöglich seien die kannibalischen Praktiken Teil von rituellen Zeremonien gewesen. Es könne aber auch sein, dass die Menschen der so genannten „Linienbandkeramik-Kultur“ aus blanker Not handelten. Denn jene frühe bäuerliche Gesellschaft litt regelmäßig unter schweren Hungersnöten. Bereits 1986 hatten Archäologen in einer französischen Höhle ähnliche Hinweise auf kannibalische Riten in der Steinzeit entdeckt.

Nicole Mai

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