News: In der weichen Schale steckt doch ein harter Kern
Seit Jahrzehnten haben Seismologen seismische Wellen als eine Art Sonde für das Erdinnere benutzt. Sie untersuchten, wie die von einem Erdbeben erzeugten Wellen vom Erdinneren reflektiert werden, bevor sie auf der anderen Seite detektiert werden. "Gegen Ende des letzten Jahrhunderts war das allgemeine Bild der Erde, daß sie einen felsigen Mantel besitzt, der auf einem flüssigen Kern geschmolzenen Eisens schwimmt. Und dieses flüssige Eisen erklärte die Existenz des Magnetfeldes der Erde", sagte Okal.
Die Geophysiker nahmen jedoch an, daß in sehr großer Tiefe der Druck so hoch ist, daß sogar bei Temperaturen von mehreren Tausend Grad das Eisen erstarren würde. In den 30er Jahren fanden Seismologen eine Diskontinuität in der Geschwindigkeit der Wellen, die sich durch das Zentrum der Erde ausbreiteten, was auf eine Art Schichtbildung im Kern hindeutete. Die Problematik seit nunmehr 60 Jahren ist, daß diese Wellen niemals die Signatur eines Festkörpers besaßen.
Okal erklärte: "Ein Festkörper hat die sehr charakteristische mechanische Eigenschaft, daß er zwei verschiedene Arten von Wellen unterstützen kann. Er kann eine Welle übertragen, die in der Bewegungsrichtung oszilliert, eine Art pulsierendes Zusammendrücken und wieder Nachlassen. Und er kann eine Welle übertragen, die senkrecht zur Bewegungsrichtung schwingt, wie eine Gitarrensaite. Eine Flüssigkeit kann aber nur die erste Art von Welle weiterleiten, die in ihrer Ausbreitung abhängig ist von Volumen- und Druckänderungen. Die zweite Wellenart erfordert die Erinnerung an eine Form, um sich wiederherzustellen – eine Flüssigkeit besitzt aber keine Form." Nur die für Flüssigkeiten charakteristische erste Art von Welle, wurde bisher jemals aus dem Kern der Erde kommend beobachtet.
Für die Untersuchungen des Erdbebens in Indonesien benutzten Okal und sein Kollege Cansi ein acht Stationen umfassendes seismisches Netzwerk in Frankreich. Dabei entdeckten sie zum ersten Mal die Vibrationen der zweiten Art. "Das Erdbeben von 1996 im Flores Meer war ein großes Erdbeben in einer Tiefe von ungefähr 600 Kilometern. Dank seiner Geometrie war es perfekt geeignet für eine Aufzeichnung in Frankreich. Denn wenn man die tiefsten Stellen der Erde untersuchen will, braucht muß ein großes, tiefes Erdbeben – und die sind selten", sagt Okal. "Nur ein tiefes Erdbeben liefert sauberere Signale."
"Wir betrachten das Innere der Erde, weil wir gerne wüßten, was sich unter uns befindet", sagte Okal. "Aber es könnte auch interessant sein für den Bereich der Materialwissenschaften, weil es zeigt, daß sich Eisen unter ungeheurem Druck – dem millionenfachen des atmosphärischen Drucks – anders verhält. Das Verständnis der Vorgänge, wie die Materialeigenschaften unter extrem hohem Druck beeinflußt werden, könnte für verschiedene Materialien bei weniger hohem Druck nützlich sein."
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