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Infrarot-Astronomie: Infrarotscanner WISE im All

Start von WISE
Pünktlich um 15:09 Uhr MEZ am 14. Dezember 2009 hob die Delta-II-Trägerrakete vom amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Vandenberg im US-Bundesstaat Kalifornien ab. Rund 50 Minuten später befand sich WISE, der "Wide-field Infrared Survey Explorer" in seiner Umlaufbahn in 525 Kilometer Höhe. Nun beginnt eine einmonatige Test- und Überprüfungsphase, nach der dann WISE innerhalb von sechs Monaten den gesamten Himmel in vier infraroten Wellenlängen kartieren wird.

Schon vor rund einem Vierteljahrhundert wurde der erste Durchmusterungssatellit, IRAS, der Infrared Astronomical Satellite, ein Gemeinschaftsprojekt der Niederlande, Großbritanniens und der USA gestartet. IRAS öffnete uns erstmals die faszinierenden Objekte des infraroten Weltalls. Allerdings war seine Sensortechnik nach heutigen Standards sehr einfach und lieferte nur eine mäßige Abbildungsqualität.

Alle anderen seitdem gestarteten Infrarotsatelliten beobachteten nur ausgewählte Objekte oder kartierten kleinere Bereiche des Infrarothimmels. Aber eine vollständige Himmelskarte in guter Qualität fehlte bislang.

Um diese Lücke zu schließen, entwickelte die US-Raumfahrtbehörde NASA nun das Weltraumteleskop WISE, den Wide-field Infrared Survey Explorer. WISE soll mit seinem 40-Zentimeter-Teleskop während einer auf sieben Monate angelegten Primärmission den gesamten Infrarothimmel kartieren.

WISE wird den Infrarothimmel in vier verschiedenen Wellenlängen durchmustern und zwar bei 3,4, 4,6, 12 und 22 Mikrometern. Dabei erreicht WISE mit seinem 40-Zentimeter-Teleskop bei 22 Mikrometern eine räumliche Auflösung von zwölf Bogensekunden, dies entspricht einem 150-tel des scheinbaren Monddurchmessers.

Damit WISE den infaroten Himmel überhaupt beobachten kann, müssen das Teleskop und seine Detektoren aktiv gekühlt werden. Sonst würde das Eigenrauschen der Sensoren und die Strahlung der warmen Spiegeloberflächen jegliches Infrarotlicht aus dem Weltall überdecken. Zur Kühlung benutzt WISE gefrorenen Wasserstoff, der Optik und Sensoren auf zwölf Kelvin (-260 Grad Celsius) herunterkühlt. Der verdampfende Wasserstoff kühlt den Satelliten, allerdings ist seine Menge begrenzt. Daher ist die Lebensdauer des Satelliten auf rund zehn Monate beschränkt.

WISE befindet sich auf einer so genannten sonnensynchronen Erdumlaufbahn, das heißt, er befindet sich stets im Sonnenlicht. So steht es jederzeit zur Stromversorgung zur Verfügung. Die Öffnung des Teleskops ist immer um 90 Grad von der Sonne weggerichtet, würde die Sonne ins Teleskop leuchten, so würden die Sensoren von WISE innerhalb von Sekunden verschmoren.

Während des Umlaufs um die Erde nimmt WISE alle elf Sekunden ein Bild auf. Eine spezielle Nachführoptik verhindert, dass durch die Umlaufbewegung des Satelliten das Bild "verschmiert". Das Blickfeld beträgt 47 Bogenminuten, etwa das anderthalbfache des scheinbaren Monddurchmessers. Bei jedem Erdumlauf scant WISE einen schmalen 360-Grad-Streifen des Himmels ab.

Durch die Bewegung der Erde um die Sonne wird dabei nach und nach der gesamte Himmel abgescant, dies dauert etwa sechs Monate. Bis dahin wird WISE etwa anderthalb Millionen Bilder des Himmels in den vier Wellenlängen übermitteln. Sollte der Satellit nach Abschluss der Primärmission noch wie erhofft über Kühlmittel verfügen, so könnte WISE nochmals für weitere drei Monate den Himmel scannen und damit die Qualität der Himmelskarte verbessern.

WISE wird von den Infrarotastronomen als eine Art Sucherfernrohr für den im Mai 2009 gestarteten europäischen Infarotsatelliten Herschel betrachtet. Die Karte von WISE soll dazu dienen, interessante Himmelsobjekte für die Beobachtung mit Herschel auszuwählen. Das Gleiche gilt auch für das im Jahr 2014 geplante James Webb Space Telescope, den Nachfolger des berühmten Weltraumteleskops Hubble.

Auch für sich betrachtet dürften die Ergebnisse von WISE äußerst spannend sein. Unter anderem suchen die Astronomen nach den leuchtstärksten Galaxien im Universum. Diese ULIRG (Ultra-Luminous Infrared Galaxies) genannten Sternsysteme im jungen Universum durchlaufen extreme Sternentstehungsepisoden, so genannte Starbursts. Dadurch sind sie sehr leuchtkräftig, wobei sie durch die hohe Rotverschiebung hauptsächlich im Infraroten leuchten.

Näher vor unserer kosmischen Haustür fahnden die Forscher nach unseren nächsten stellaren Nachbarn. Vielleicht verstecken sich nämlich in unserer Nachbarschaft sehr leuchtschwache Zwergsterne und Braune Zwerge, die uns noch näher stehen als Alpha und Proxima Centauri. Ihre extrem geringe Leuchtkraft macht sie im sichtbaren Licht fast unsichtbar, so dass sie von bisherigen Himmelsdurchmusterungen leicht übersehen werden konnten.

Ein weiteres "Abfallprodukt" der Kartierung durch WISE ist die weitgehend vollständige Erfassung aller Asteroiden größer als drei Kilometer im Asteroiden-Hauptgürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter. Die Forscher schätzen, dass WISE dabei bis zu 100 000 neue Asteroiden entdecken wird. Damit lassen sich die Asteroiden-Populationen in dieser Region mit hoher Genauigkeit abschätzen. Zudem wird WISE auch einige Hundert bislang unbekannte erdnahe Asteroiden aufspüren.

Tilmann Althaus

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