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Neutronensterne: Jenseits vom Jenseits

Im Herzen des Krebsnebels wütet ein Objekt, das bei wenigen Kilometern Durchmesser mehr als eine Sonnenmasse in sich vereint. Mit seiner Energie hält es den ganzen Gas- und Staubkomplex um sich auf Trab. Wie und wo es das anstellt, wird dank einer Eigenschaft des Lichts jetzt etwas verständlicher.
Krebsnebel
Man könnte fast Mitleid bekommen, wenn der tragische Tod von Sternen geschildert wird: Nach einem langen, oft turbulenten Leben sind sie vollkommen ausgebrannt und müssen in nicht selten dramatischen Szenarien dahinscheiden. Dabei kann man es sicherlich auch etwas positiver sehen. Wenn leichte Exemplare wie etwa unsere Sonne in die Jahre kommen, setzten sie sich beispielsweise mit einem wunderschön schillernden Nebel ein Denkmal. Das hält dann immerhin für einige tausend Jahre, bis sie schließlich zu einem unscheinbaren Etwas verkümmern, in dem tatsächlich nicht mehr viel Leben steckt.

Die massereichen Gestirne hingegen sind eigentlich gar nicht wirklich tot: Vielmehr verwandeln sie sich nur in ein etwas kompakteres Objekt. Dafür müssen sie zwar zunächst in einer gewaltigen Supernova explodieren – ein spektakulärer Abgang. Zumindest ihr Kern bleibt dabei aber erhalten, indem er unter ihrer eigenen Gravitation zu einem Neutronenstern zusammenfällt oder bei genügend Ausgangsmasse sogar zu einem Schwarzen Loch.

Die dabei entstehende Stoßwelle sprengt die äußeren Hüllen ins All, und dann wird es auch schon wieder schön: Wie auch die Planetarischen Nebel erstrahlen diese diffusen und mehrere zehntausend Grad heißen Gasmassen in bunten Farben am Nachthimmel – nur sind sie um ein Vielfaches größer. Ein Paradebeispiel für einen solchen Supernova-Überrest ist der nur etwa 6500 Lichtjahre von uns entfernte Krebsnebel im Sternbild Stier.

Der Krebsnebel | Aufnahmen des Krebsnebels im sichtbaren Licht (rot) sowie im Röntgenbereich (blau) sind hier überlagert dargestellt. Inmitten der Gas- und Staubwolken lässt sich der Pulsar erkennen.
Seine Existenz hat er der Explosion eines Sterns von rund zehn Sonnenmassen zu verdanken, der zu einem schnell rotierenden Neutronenstern kollabierte – etwa dreißig Mal pro Sekunde dreht er sich um seine eigene Achse. Im Inneren des zehn Lichtjahre großen Nebels treibt dieser Pulsar seit nun fast tausend Jahren sein Unwesen und verlangsamt sich dabei um 38 Nanosekunden pro Tag. Seine Kraft steckt er unter anderem in seinen Jet, der wie der Strahl eines Leuchtturms auch über unseren Planeten streift. Die scheinbaren Lichtimpulse decken das gesamte Spektrum von Radio- bis hin zu Gammawellenlängen ab.

Der größte Teil seiner Rotationsenergie kommt allerdings seinen elektromagnetischen Feldern und den um ihn wehenden Gürtel aus extrem schnellen Teilchen zugute. Elektronen und möglicherweise auch andere Partikel beschleunigt er hier hundertmal effektiver als die besten Teilchenbeschleuniger auf der Erde. Bei den resultierenden Spitzengeschwindigkeiten und den extremen Magnetfeldern, die in der Umgebung des Pulsars vorherrschen, senden die Elektronen sehr energiereiche Strahlung aus.

All das lässt sich zwar beobachten, doch wie der Energietransfer vom Pulsar auf die umgebende Materie funktioniert, konnten sich die Wissenschaftler bislang nicht erklären. Sie wussten nicht einmal, woher die schnellen Teilchen genau stammen. Tony Dean von der University of Southampton und seine Kollegen kombinierten nun Daten aus 600 einzelnen Beobachtungen des Krebsnebels, die mit Hilfe des Spektrometers an Bord des Satelliten INTEGRAL (International Gamma-Ray Astrophysics Laboratory) entstanden waren.

Einen Großteil der Gammastrahlung konnten sie auf den Jet zurückführen, doch auch nicht gepulste Strahlung aus der Nähe des Pulsars war enthalten. Indem sie die Daten mit einer Computersimulation abglichen, stießen sie darin auf linear polarisiertes Licht – hierin schwingen die elektromagnetischen Wellen alle in derselben Ebene senkrecht zu ihrer Ausbreitungsrichtung.

Im Zentrum von M1 | Der Krebsnebel ist der Überrest eines Sterns, der am 4. Juli 1054 als Supernova explodierte. In dieser Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble ist seine innere Struktur abgebildet. Die verschiedenen Farben zeigen die verschiedenen chemischen Elemente in der expandierenden Gaswolke, zum Beispiel Wasserstoff (orange), Stickstoff (rot), Schwefel (rosa) und Sauerstoff (grün). Der Pulsar ist der untere der beiden nur mäßig hellen Sterne nahe der Bildmitte.
Die Elektronen, welche die polarisierten Photonen aussenden, müssen in einer Region mit einer gewissen Ordnung oder Symmetrie beschleunigt worden sein, berichten die Forscher. Das Magnetfeld sollte hier also nicht zufällig orientiert sein, sondern eine bevorzugte Richtung aufweisen. Bei genauerem Hinsehen fiel Dean und seinem Team auf, dass die Richtung der Polarisation nach der Drehachse des Pulsars ausgerichtet war.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, erklären die Astronomen, dass die energiereichen Partikel in direkter Nähe zum Pulsar entstehen, denn weiter von ihm entfernt wäre die Struktur des Magnetfelds sehr komplex. In dem vermuteten Gebiet könnte das Magnetfeld vornehmlich eine donutförmige Gestalt annehmen, spekulieren sie. Diese Geometrie könnte auch für die gebündelten Licht- und Teilchenstrahlen verantwortlich sein.

All dieses Treiben zeigt einmal mehr, wie aktiv ein eigentlich Totgeglaubter noch sein kann. Seine Dynamik beschert dem Krebsnebel fortwährend ein anderes Antlitz und uns damit immer wieder neue Ansichten.

Mit diesem Trick kam der Nebel übrigens auch zu seinem Namen: Ein gewisser William Parsons, alias 3. Earl of Rosse, beobachtete das Objekt 1844 mit seinem großen Spiegelteleskop und stellte eine frappierende Ähnlichkeit zu einem Krebs fest. Einige Jahre später fertigte er mit einem noch größeren Fernrohr eine detaillierte Zeichnung an, die den Spitznamen nicht mehr rechtfertigte. Neben seinen offiziellen Bezeichnungen M1 und NGC 1952 blieb letzterer aber dennoch erhalten.

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