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Mikrobiom: Kann Kinderkot die Gehirnleistung vorhersagen?

Eltern schenken dem festen Windelinhalt ihrer Kleinen normalerweise wenig Beachtung. Dabei soll sich daran angeblich ablesen lassen, wie sich das Kind kognitiv entwickelt.
Elternteil wechselt Windel beim Nachwuchs - bisweilen ein anrüchiges Arbeiten.

Verschiedene Studien an Nagetieren haben bereits gezeigt, dass die Darmflora beeinflussen kann, wie sich das Gehirn entwickelt. Je nachdem, wie Forscher dann dieses Mikrobiom manipuliert haben, veränderten sich die Kommunikation der Tiere untereinander, ihre Experimentierfreude und allgemein die kognitive Leistungsfähigkeit. Auch beim Menschen sind schon erste Studien angelaufen, wie die Bakterien in unseren Eingeweiden unseren Denkapparat beeinflussen. Alexander Carlson von der University of North Carolina in Chapel und sein Team etwa wollen herausfinden, ob die Vielfalt der kleinen Mitbewohner etwas über die zukünftige Intelligenz von Kleinkindern aussagen könnte. Ihre Ergebnisse fassen die Wissenschaftler in "Biological Psychiatry" zusammen.

Für ihre Studie sammelten sie 89 Stuhlproben von Einjährigen ein und analysierten anschließend die mikrobielle Artenvielfalt des Kots. Je nach Zusammensetzung wurden die Kinder dann in drei Gruppen zusammengefasst: je eine mit einem hohen Anteil an Bakterien der Gattungen Bacteroides, Faecalibacterium sowie eine noch namenlose Gattug aus der Familie der Ruminococcacaea. Ein Jahr später testeten sie den Nachwuchs mit einem einfachen Kognitionstest – den Mullen Scales of Early Learning –, mit dem grob erfasst werden kann, was die Kleinen geistig bereits leisten. Erfasst werden damit unter anderem motorische Fähigkeiten, wie Gegenstände erkannt werden und der frühkindliche Spracherwerb.

Das Ergebnis war recht eindeutig: Die Kleinkinder aus der Bacteroides-Gruppe schnitten deutlich besser ab als die beiden anderen Cluster, wobei die Faecalibacterium-Klasse den letzten Platz belegt. Zudem fiel den Wissenschaftlern auf, dass die Kleinen mit geringerer Mikrobiomvielfalt ihren Altersgenossen mit hoher Diversität überlegen waren – was die Forscher einigermaßen überraschte, wie die beteiligte Autorin Rebecca Knickmeyer von der University of North Carolina zugab: "Wir hatten ursprünglich gedacht, dass es umgekehrt wäre." Immerhin bringt man eine eher monotone Darmflora bislang mit einem höheren Risiko für Diabetes Typ 1, Übergewicht oder Asthma in Verbindung. MRT-Aufnahmen zeigten allerdings keine Unterschiede beim Volumen bestimmter Hirnareale der Ein- und Zweijährigen in Abhängigkeit vom Mikrobiom.

Wie üblich muss man Studien dieser Art aber kritisch betrachten – etwa was Ursache und Wirkung anbelangt. "Das größte Problem bei Mikrobiomanalysen ist die Kausalität", erklärte der Mikrobiologe Rob Knight von der University of California in San Diego etwa gegenüber "Gehirn&Geist". "Oft ist es sehr schwer zu sagen, ob die Unterschiede im Mikrobiom die Ursache oder die Folge beispielsweise einer Erkrankung sind." Carslon und Co beschreiben selbst, dass die unterschiedlichen Kotklassen mit äußeren Faktoren zusammenhängen – etwa der Ethnie der Eltern, der Zahl der Geschwister, wie lange die Babys gestillt wurden und ob das Kind per Kaiserschnitt auf die Welt kam. Zudem können Kinder in diesem Alter ihr Mikrobiom in gewissem Umfang bereits selbst beeinflussen: Aktivere oder neugierigere Kinder stecken beispielsweise mehr Gegenstände in den Mund und nehmen auf diese Weise Bakterien auf, die sich dann im Darm ansiedeln. Zudem ist noch völlig ungeklärt, wie die Darmflora Einfluss auf die Gehirnentwicklung nehmen kann – etwa über den Stoffwechsel. Und schließlich ist die Zahl der ersten Probanden noch überschaubar, was Verzerrungen hervorrufen kann.

Carlson selbst warnt in einer Mitteilung davor, dass man aus ihrer Studie bereits Rückschlüsse ziehen könne: "Wir sind noch weit von Handlungsempfehlungen entfernt – nach dem Motto 'Nehmt dieses probiotische Produkt'. Aber ein paar große Erkenntnisse haben wir schon gewonnen." Wenn man das Mikrobiom im Alter von einem Jahr untersucht, zeige sich schon, wie sehr dieses dem von Erwachsenen ähnelt, so der Forscher. "Wollte man tatsächlich eingreifen, müsste dies idealerweise bereits vor dem ersten Geburtstag stattfinden."

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