Direkt zum Inhalt

News: Kein Sprachenwirrwarr im Hirn

Wer denkt beim Vokabeln büffeln nicht voller Neid an Menschen, die zweisprachig aufgewachsen sind - und damit von der Wiege an doppelten Unterricht erhielten. Die beiden Wörterbücher in ihrem Kopf halten sie dabei in der Regel gut auseinander. Wie ihnen das wohl gelingt, zeigten nun Experimente und Aufzeichnungen der Gehirnaktivität.
"Mama" ist in vielen Sprachen gleich. Bei "Papa" gibt es schon mehr Unterschiede, und wenn die Verwandtschaft noch entfernter wird, ändern sich auch die entsprechenden Begriffe im Vokabelbuch – davon kann jeder Schüler ein entnervtes Lied singen. Wer von klein auf jedoch in zwei oder mehr Sprachen zuhause ist, der denkt nicht darüber nach – ob nun "Tante", "aunt" oder "tía", der passende Begriff kommt sofort, und das auch noch in der jeweils geforderten Variante.

Aber wie halten mehrsprachig aufgewachsene Menschen die Wörterbücher in ihrem Kopf auseinander? Thomas Münte von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und seine Mitarbeiter wandten sich hierfür an spanische Muttersprachler, von denen einige zusätzlich schon von Kindesbeinen an katalanisch beherrschen. Diese ebenfalls romanische Sprache wird vor allem im Nordosten der iberischen Halbinsel gesprochen und ist dort neben Spanisch die zweite Amtssprache.

Die Wissenschaftler präsentierten den Versuchsteilnehmern auf einem Monitor spanische Begriffe, in die sie gelegentlich katalanische oder Phantasiewörter einstreuten. Je nachdem, ob ein Wort mit einem Vokal oder einem Konsonant begann, sollten die Freiwilligen mit der rechten oder linken Hand einen Knopf drücken – aber nur, wenn es sich um einen spanischen Begriff handelte. Sonst sollten sie die Hände ruhig halten.

Beide Gruppen schnitten bei dem Test gut ab. Dabei zeigte sich, dass die Personen auf häufig auftretende Wörter mit der Zeit schneller reagierten, allerdings nur, wenn es sich um Spanisch handelte. Die katalanischen Begriffe erzeugten selbst bei den katalanisch sprechenden Teilnehmern keinen derartigen "Gewöhnungseffekt".

Um zu überprüfen, ob die Betroffenen vielleicht den Sinn des aufleuchtenden Begriffes gar nicht erfassen, sondern sich aufgrund anderer Kriterien entscheiden, verfolgten die Forscher in der nächsten Testrunde die Gehirnaktivität der Teilnehmer mit funktioneller Magnetresonanztomographie. Und hier zeigte sich nun ein entscheidender Unterschied: Bei den zweisprachig aufgewachsenen Versuchspersonen waren verstärkt Gehirnregionen aktiv, die an der lautsprachlichen Verarbeitung beteiligt sind.

Münte und sein Team leiten daraus ab, dass die bilingualen Teilnehmer nicht direkt aus der Schreibweise des Begriffs die Bedeutung erschließen, sondern erst einmal nur dessen "Klang" ermitteln. Passt dieser nicht zum gerade gefragten phonetischen Repertoir der jeweiligen Sprache, sortieren sie das Wort direkt aus, ohne sich über dessen Inhalt Gedanken zu machen – eine sehr effektive Methode, ein begriffliches Durcheinander im Gehirn zu verhindern.

Für die Annahme spricht auch, dass die Aktivität vorderen präfrontalen Region bei zweisprachigen Teilnehmern höher war als bei den einsprachigen – sie wirkt offenbar daran mit, relevante Informationen herauszufiltern und Überschneidungen aufzulösen. Wie schön wäre es doch, wenn man sich diese Fähigkeit auch später noch beim Vokabeln lernen zunutze machen könnte.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.