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Historische Seuchen: Klima holte Schwarzen Tod aus Asien

Der Schwarze Tod forderte Millionen Tote und verschwand plötzlich. Dann flammte er regelmäßig wieder auf - schuld war das Klima in Asien, meinen Forscher.
 Ratten übertragen direkt die Pest

Die Pest verschwand im Mittelalter nach den Epidemien offenbar regelmäßig aus Europa – wurde dann aber immer wieder über die Handelswege aus Asien neu eingeschleppt. Schuld waren wohl stets Klimaschwankungen, die den Erreger von Asien aus auf Wanderschaft zwangen. Ein dauernd drohendes Infektionsreservoir des Erregers – wie zum Beispiel eine ständig latent infizierte Rattenpopulation, die einige Epidemiologen bisher für wahrscheinlich gehalten hatten – gab es in Europa dagegen vielleicht gar nicht, vermuten nun Forscher aus Norwegen und der Schweiz.

Wie viele Medizinhistoriker zuvor beschäftigt das Team die Frage, warum die Pest in merkwürdigen Wellen in Europa grassierte, scheinbar zwischendurch und dann immer wieder einmal auftauchte. Die Krankheit hatte bei dem verheerenden Ausbruch zwischen 1347 und 1351 schätzungsweise 75 Millionen Menschen und damit mehr als ein Drittel der europäischen Bevölkerung getötet, sich dann recht plötzlich zurückgezogen und kehrte bis ins 19. Jahrhundert hinein alle 10 bis 20 Jahre immer wieder meist lokal begrenzt zurück. Mediziner waren uneins, ob diese Ausbrüche auf ein immer wieder aufflammendes Infektionsreservoir zurückgehen – die Pest also dauerhaft in Europa vorhanden war – oder ob sie jedes Mal aus Asien neu eingeschleppt wurde.

Letzteres sei wahrscheinlicher, meinen nun die Forscher um Nils Stenseth von der Universität Oslo, nachdem ihre Datenanalysen eine auffällige Korrelation ans Licht gebracht haben: Die neuen Pestwellen starteten von europäischen Häfen und Handelsknotenpunkten aus regelmäßig etwa 15 Jahre nach besonderen Klimaverschlechterungen in Asien, die die Forscher durch die Analyse von Baumringdaten aus dem Karakorumgebirge nachweisen konnten. Mit diesen Klimaveränderungen gingen immer wieder Pestausbrüche in Asien einher, die dann Jahre später nach Europa schwappten, spekulieren die Forscher.

Mittelalterliche Pestopfer in London

Der Zusammenhang zwischen einem plötzlichen lokalen Klimaumschwung und dem Ausbruch der Pest ist seit Längerem bekannt. So weiß man etwa aus Untersuchungen, dass ein sehr feuchtes, kühles Jahr in Asien die Population von Rennmäusen zusammenbrechen lässt, die oft mit Pestbakterien infiziert sind. Dies sorgt etwa dafür, dass immer mehr Flöhe auf immer weniger Nagern saugen und die bluthungrigen Parasiten gezwungen sind, von toten auf die wenigen noch lebenden Nager sowie notfalls auf Ausweichwirte wie Kamele oder eben Menschen umzusiedeln. Dabei übertragen sie immer häufiger die Pestbakterien.

Ausbreitung entlang der Handelswege

Dies könnte in Asien seit dem Mittelalter offenbar wiederholt vorgekommen sein, wie die Baumringdaten nahelegen – die Gebiete, durch die große Handelsrouten wie die Tee- und Seidenstraße nach Westen führten, dürften so regelmäßig einem höheren Pestansteckungsrisiko ausgesetzt gewesen sein. Vor Ort mag die Pest nun einige Zeit gebraucht haben, um sich auf Kamele und schließlich in Karawansereien zu verbreiten. Anschließend bewegte sich die Seuche dann wohl mit einer typischen Ausbreitungsgeschwindigkeit von um die 350 Kilometer pro Jahr vorwärts – langsamer, als die Pest in Europa während des Schwarzen Tods vorankam, aber schneller als die Verbreitung der Pest in China im 20. Jahrhundert. Sehr regelmäßig etwa 15 Jahre nach dem Klimaausschlag in Asien berichten die Chroniken jedenfalls von neuerlichen Ausbrüchen der Pest in Hafenstädten Europas, die mit den asiatischen Transportwegen in Verbindung stehen. So ging, um zwei Bespiele zu nennen, ein Pestausbruch in Barcelona und Konstantinopel 1408 vielleicht auf eine Klimaverschlechterung 1394 zurück, während ein Ausbruch an der Levante zwischen 1828 und 1830 mit einer in den Baumringen sichtbaren asiatischen Kälteperiode 1814 korreliert.

Ob die Theorie der wiederholten Einschleppung aus Asien zutrifft, könnten in Zukunft DNA-Untersuchungen an alten Pestopfern beweisen, meinen die Forscher – sie müssten dann zeigen, dass die Pest jeweils auf importierte Stämme aus Asien zurückzuführen war. Insgesamt sprächen ihre Analysen jedenfalls eindeutig für die Importhypothese. Es war auch schon früher immer wieder daran gezweifelt worden, dass in Europa seit dem Mittelalter Pesterreger zirkulieren, die dann immer wieder einmal plötzlich gefährlich werden. So bleibt etwa umstritten, wie viele Hausratten – ein Hauptüberträger und Reservoirwirt der Pest – überhaupt in Europa lebten. Seit den 1980er Jahren hatten ökologische Überlegungen nahegelegt, dass diese Ratten zumindest in Skandinavien und England einfach zu selten waren, um die Pest im Land halten zu können. Dies bleibt allerdings umstritten. Diskutiert wird auch, dass die Pest ständig, teilweise mit geringen Fallzahlen, von Mensch zu Mensch sprang und so durch Europa zirkulierte, um dann ab und zu größere Ausbrüche zu verursachen. Einen Grund für die Periodizität der Ausbrüche liefert dieser Erklärungsansatz jedoch nicht.

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