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Seuchen: Kollaps durch Ebola

Während der schlimmsten Ebolaepidemie in der Geschichte kämpft ein Krankenhaus in Sierra Leone um seine Forschung.
Klinikbett in Afrika

Robert Garry fühlte sich nicht ganz wohl unter dem Blechdach, das da über seinem Kopf baumelte. Es war Juni, und er begutachtete mit seinem Kollegen Sheik Humarr Khan den notdürftigen Unterstand, der vorübergehend als Ebolastation des Kenema Government Hospital in Sierra Leone dienen sollte. Das Dach aus Wellblechplatten war einfach mit einer Hand voll dünner, verdrillter Drähte an einem fünf Meter hohen Holzrahmen festgezurrt. Eine halbe Stunde später bei einem Meeting im Hauptgebäude des Krankenhauses wurden alle von einem ohrenbetäubenden Krach unterbrochen. Als das Rumsen durch das Krankenhaus schallte, rannten Garry und Khan zum Hinterausgang hinaus, um das Unvermeidbare zu sehen: Die wackelige Konstruktion war eingestürzt.

Dies war das Omen für alles, was kommen sollte. In weniger als einem Monat brach das gesamte Krankenhaus unter der Last des schlimmsten Ebolaausbruchs der Geschichte förmlich zusammen. Die Stationen waren überfüllt mit Patienten und Dr. Khan, Kenemas Arzt für Infektionskrankheiten, und viele seiner Mitarbeiter kämpften selbst ums Überleben.

Ebolaviren in infizierter Nierenzelle

Seit dem Ausbruch im Dezember 2013 sind mindestens 3000 Menschen an der Epidemie gestorben, und laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnten sich bis Ende des Jahres weitere Zehntausende angesteckt haben. Die drei Länder Guinea, Liberia und Sierra Leone waren bisher das Epizentrum. Hier ringen ohnehin schon alle mit einem schlechten Gesundheitssystem und völlig unangemessenen Hilfsaktionen, sogar noch nachdem die WHO Anfang August die Ebolaepidemie zum internationalen Notfall erklärt hat.

Khan und seine Team brachten schon Erfahrung mit dem Lassavirus mit, das wie Ebola lebensbedrohlich ist und hämorrhagisches Fieber auslösen kann. Lassafieber hat aber wesentlich besser voraussehbare jährliche Infektionszyklen als Ebola. Zusammen mit Garry, einem Virologen von der Tulane University in New Orleans, Louisiana, und einem internationalen Wissenschaftlerteam verbrachte Khan fast zehn Jahre mit dem Aufbau eines Lassa-Behandlungs- und -Forschungsprogramms in Kenema. Dazu gehörten eine Spezialstation und ein modernes Diagnostiklabor; der Anbau einer neuen Krankenstation war der nächste Schritt im Kampf gegen die Erkrankung. Doch bevor die Station überhaupt fertig gestellt werden konnte, wurde im Lassalabor bereits der erste Ebolafall von Sierra Leone festgestellt. Hunderte mehr folgten nach, und das Labor, in dem eigentlich Lassafieber untersucht werden sollte, wurde völlig von Ebolafällen überrollt.

Die Wissenschaftler arbeiteten unermüdlich. Sie wollten herausfinden, woher Ebola kam und wie es sich im Land verbreitete. Aber die Behandlungsstation allein benötigte schon alle Ressourcen des Krankenhauses, und die Forschung wurde schließlich auf Eis gelegt. Auch wenn ihre Forschung wichtige Hinweise zum Ausbruch geben könnte, war jetzt in erster Linie medizinische und humanitäre Hilfe zu leisten. "Hier stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, welchen Beitrag die Wissenschaft leisten kann", erklärt Pardis Sabeti. Sie arbeitet in der computergestützten Genomik am Broad Institute in Cambridge, Massachusetts, und kooperiert seit 2008 mit dem Team in Kenema. Völlig frustriert rief sie zusammen mit anderen amerikanischen Wissenschaftlern dazu auf, mehr Hilfe nach Kenema zu schicken. Die Antwort dauerte ewig. "Unsere Freunde brauchten Hilfe, doch jede internationale Organisation, die wir ansprachen, war schon überlastet."

Ebolaforscher der US-Army | Zwei Medizinforscher der US-Army machen Versuche mit dem Ebolaerreger.

Ein glänzendes Beispiel

Khan kannte die Risiken der Arbeit am hämorragischen Fieber, denn er wurde zum Chef der Lassaabteilung in Kenema ernannt, nachdem sein Vorgänger an der Krankheit gestorben war. Mit dem Lassavirus infizieren sich jährlich 300 000 bis 500 000 Menschen weltweit, zwischen 5000 und 20 000 sterben daran. Das Krankenhaus in Kenema behandelt seit Jahrzehnten Lassapatienten, sogar noch während des blutigen Bürgerkriegs zwischen 1991 und 2002. Diese Expertise machte sich bezahlt, als das Viral Hemorrhagic Fever Consortium seine Arbeit im Jahr 2010 aufnahm und Wissenschaftler aus Kenema, Tulane und anderen Ländern Westafrikas und der USA aufnahm.

Die Krux ist, die Krankheit schnell genug zu diagnostizieren, um sie noch behandeln zu können. Nach dem Krieg gab es in ganz Afrika kein Labor mit der Technologie zum Nachweis von Lassaviren im Patientenblut. Deshalb wurde im Jahr 2005 in Kenema eines errichtet und ein Diagnosetest entwickelt. Sabeti war eines der Gründungsmitglieder. Sie begann mit der Probensequenzierung und wollte auch die Ausbreitung des Virus in Westafrika untersuchen.

Im Mai trafen sich Sabeti, Khan und Garry in Nigeria und feierten einen großen Teilerfolg ihrer Arbeit: die Einweihung eines Zentrums für Genomik der Infektionskrankheiten. Die Weltbank und das US-amerikanische Gesundheitsministerium (NIH) hatten im Oktober der Finanzierung zugestimmt, und ihr Kooperationspartner in Ogun State in Nigeria war zum Leiter ernannt worden. Hier sollten nun Mikroorganismen aus Westafrika genetisch analysiert werden, wozu bald das erste High-Throughput-Sequenziergerät der Region angeschafft werden sollte. Damit müssten die Forscher in Kenema ihre Analysen der Proben von Lassa- und anderen Patienten nicht mehr im Ausland durchführen lassen. Die Partnerschaft schien ein leuchtendes Beispiel für die Zusammenarbeit auf dem afrikanischen Kontinent zu werden, mit dem Aufbau einer landeseigenen Infrastruktur und eigenen Erfahrungen, anstatt alles aus dem Ausland zu importieren.

Alle freuten sich riesig über die guten Nachrichten und den Fortschritt in Sierra Leone, wo Kenema dank eines Förderantrags der US-Navy eine neue Lassastation erhalten sollte. 48 Betten, fast doppelt so viele wie bisher, waren geplant. Außerdem sollte eine Klimaanlage eingebaut werden, was den Krankenschwestern und Ärzten in ihrer stickend heißen Schutzkleidung die Arbeit in der drückenden Hitze am Äquator erleichtern würde. Und es gäbe auch mehr Sicherheit, weil die Räume mit einem gefliesten Boden und einem Abwassersystem einfach durch Ausspritzen gereinigt werden könnten. Beim hämorrhagischen Fieber sitzt das Virus im Blut, im Erbrochenen, im durchfälligen Stuhl, im Schweiß und in den Tränen. In der alten Lassastation mit einem Betonboden war das Infektionsrisiko sehr hoch, sobald nur jemand mit dem Besen den Abfall wegkehrte.

Patientin null

Aber das Team sah den Ärger schon kommen. Als das nördlich von Sierra Leone gelegene Guinea die WHO im März über die dortigen Ebolafälle informierte, prophezeite Garry bereits, dass Kenema der nächste Ort sein würde. Er und Sabeti schifften kistenweise Schutzkleidung in die Stadt, und Wissenschaftler aus Sabetis Labors brachten Genproben, die auf Ebola getestet werden sollten. Im Mai erschienen die ersten Patienten. Eine Frau kam nach einer Fehlgeburt mit Fieber und schweren Blutungen auf Station. Sie und 13 weitere hatten sich bei der Beerdigung eines Heilers angesteckt, der Ebolaopfer im benachbarten Guinea behandelt hatte. Am 25. Mai bestätigte die Chefin des Lassadiagnostiklabors, Augustine Goba, dass sie das Virus nach Sierra Leone eingeschleppt hatten. Die Erkrankten wurden in Kenemas Lassastation aufgenommen.

Klinikbett in Afrika | In zahlreichen afrikanischen Ländern ist die medizinische Versorgung schlecht, und Behandlungsangebote sind sehr rar.

Garry kam sofort mit dem Flugzeug, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter in Kenema gut vorbereitet waren. Die bisherigen Kittel und Schutzmasken wurden gegen Ganzkörperanzüge aus Tyvek, einem dichten Vliesstoff aus Polyethylen, ausgetauscht, so dass nun der gesamte Körper mit einem wasserfesten Schutz bedeckt war. Garry veranlasste auch, dass die Helfer nach der Diagnose die Reste der Blutproben sammelten, dekontaminierten und verpackten, die er dann am Broad Institute sequenzieren wollte.

Anfangs kamen nur einige Patienten, viel zu wenige. Als die Mitarbeiter Anfang Juni zurückverfolgten, mit wem die Infizierten Kontakt gehabt hatten, wurde ihnen klar, dass möglicherweise viel mehr Menschen als nur die im Krankenhaus infiziert worden waren. Aber Ebola hatte es bisher in Westafrika nicht gegeben, und die Leute verbreiteten es unwissentlich, einfach indem sie sich um die Kranken kümmerten und die Toten begruben. Ganze Dörfer standen vor der Ausrottung.

Khan sah voraus, dass auf Kenema bald eine Welle von Ebolafällen zukommen würde, und er beauftragte deshalb den Bau einer neuen provisorischen Station. Nachdem die erste Konstruktion zusammengebrochen war, wurde der Bau mit einem kürzeren, stabileren Dach wieder aufgestellt. Und seine Vorhersage war richtig: Schon Ende Juni war die alte Lassastation völlig überfüllt, und Verdachtsfälle wurden in der neuen Abteilung aufgenommen. Die Patienten schwärmten aus dem gesamten Osten Sierra Leones heran. Jeder schickte sie ins Kenema Government Hospital, weil es einfach keinen anderen Ort gab.

Material und Helfer waren aber dünn gesät. Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen waren schon mit

der Behandlung der Patienten in Guinea und Liberia völlig ausgelastet. Die WHO hatte im Juni ein paar Mitarbeiter nach Kenema geschickt, aber das Versorgungsmaterial schwand dahin, und Khan war oft der einzige Arzt für 80 Patienten. Er fühlte sich allein gelassen und fürchtete um sein Leben. Trotzdem kümmerte er sich so gut es ging um seine Patienten. "Wenn ich sie nicht behandle, wer sollte es dann tun?", sagte er zu seiner Schwester.

Eine tödliche Verkettung von Ereignissen

Als Sabeti wieder zurück in Cambridge war, analysierte sie die Daten der von Garry geschickten Proben aus Kenema. Ihre Arbeitsgruppe hatte nun 99 Proben von den ersten 78 Patienten der Ebolaepidemie in Sierra Leone. Mittels Deep-Sequencing-Technik untersuchten sie, wie das Virus mutierte, während es sich von Mensch zu Mensch ausbreitete. Keiner hatte bisher solche Daten während einer Epidemie gesammelt.

Dabei kamen schon erste wichtige Informationen zu Tage. Der gesamte Ausbruch kann auf ein einzelnes Ereignis zurückgeführt werden, bei dem ein Tier – wahrscheinlich eine Fledermaus oder ein Flughund – das Virus auf einen Menschen übertrug. Außerdem haben sich Hunderte von Mutationen im Genom angehäuft, seit sich das Ebolavirus vom ursprünglichen Virus aus Zentralafrika vor etwa zehn Jahren abgespaltet hatte.

Dieses Projekt wird vom US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in Bethesda, Maryland, finanziert. Laut seinem Vorsitzenden Anthony Fauci könnten diese Arbeiten letztendlich die Art und Weise verändern, wie solche Ausbrüche bekämpft werden. "Bisher wurden solche Analysen immer erst zwei Jahre nach dem Ende des Ausbruchs gemacht", sagt er. "Es ist einfach fantastisch, dass wir diese Untersuchungen schon jetzt durchführen können."

Ebolaverbreitung in Westafrika | Das gefährliche Virus hat sich über fast alle Provinzen der drei westafrikanischen Staaten Sierra Leone, Guinea und Liberia ausgebreitet. In Liberia steigt die Zahl der Infizierten exponentiell.

Sabetis Arbeitsgruppe veröffentlichte so schnell wie möglich am 31. Juli ihre neuen Ergebnisse. Als Erstes interessierten sich Forscher dafür, die gerade an Versuchsreihen zu Medikamenten und Impfstoffen gegen Ebola arbeiteten. Eines davon ist der Antikörpercocktail ZMapp, der inzwischen sieben Patienten gegeben wurde, von denen aber nicht alle überlebten. Außerdem wurde vom NIAID eine Vakzine entwickelt, die Anfang September in Studien am Menschen aufgenommen wurde. Keine der bekannten Mutationen im Virus sollte die Wirkung der Stoffe beeinflussen; allerdings betreffen einige Mutationsstellen DNA-Regionen, die derzeit in Diagnosetests genutzt werden.

Sabeti stand immer in engem Kontakt mit Khan und wusste, dass sich die Situation in Kenema schnell verschlechterte. "Er machte sich Sorgen, war immer noch allein und bekam nicht wirklich die Unterstützung, die er gebraucht hätte", fügt sie hinzu. Ende Juni wurde in Kenema ein Ortsvorsteher mit Fieber in eine private Station eingeliefert, die keine Maßnahmen zur Infektionskontrolle durchführte wie in der Lassastation üblich. Er löste eine tödliche Kettenreaktion aus und infizierte dabei fünf Mitarbeiter einschließlich einer schwangeren Krankenschwester. Die Geburtshelferin und Chefkrankenschwester Mbalu Fonnie brachte mit drei anderen die Totgeburt zur Welt. Sie und die anderen Krankenschwestern infizierten sich mit großer Wahrscheinlichkeit währenddessen alle: Alle vier starben daran.

Die Schicksalsschläge kamen näher

Fonnies Tod am 21. Juli und der von anderen erfahrenen Krankenschwestern zerriss alles, was das Krankenhaus zusammengehalten hatte. "Aunty Mbalu" hatte seit 25 Jahren Lassapatienten behandelt, sogar im Krieg, und hatte selbst eine Lassainfektion überlebt. Nun war sie gestorben. Bei einer Laborbesprechung am nächsten Tag bekam Sabeti eine E-Mail, die Khan betraf. Sie öffnete sie sofort: Khan hatte Ebola. "Ich brach einfach zusammen und schrie", erzählt sie.

Sabeti fühlte sich so hilflos. Sie wollte etwas tun – einfach irgendetwas. Deshalb schrieb sie ein "White Paper" an die US-amerikanischen Behörden und verlangte mehr Material und Geld für den Kampf gegen Ebola. Den Text schickte sie an Eric Lander, den Direktor des Broad Institute, und an andere Mitglieder des wissenschaftlichen Rats des US-Präsidenten. Sie und Garry waren schon einmal nach Washington D. C. gereist, um die Behörden und den US-Kongress um umfangreichere Hilfe zu bitten. Damals hatte Garry darum gebeten, noch nicht zugelassene Impfstoffe und Medikamente zu bekommen.

Diesmal forderten sie die Mediziner von Ärzte ohne Grenzen und der WHO auf, Khan mit ZMapp zu behandeln. Aber aus Furcht davor, dass etwas schiefgehen könnte und damit das eh schon brüchige Vertrauen der Bevölkerung weiter zu untergraben, wurde dagegen entschieden. Nachdem nun auch Khan sehr krank war, stand das Kenema-Krankenhaus kurz vor dem Kollaps. Es waren einfach zu viele Patienten und zu wenige Helfer, um alle zu behandeln, und auch die Vorräte schwanden dahin. Aus Furcht um ihr Leben und mit dem Gefühl, für die Arbeit schlecht ausgestattet zu sein, traten die verbliebenen Krankenschwestern und Laborassistenten in Streik. Bis auf die Ebolastation war das Krankenhaus praktisch geschlossen.

Der Arzt Daniel Bausch von der Tulane University arbeitete zu dieser Zeit auf der Ebolastation. Eines Tages ging er mit einem Mitarbeiter der WHO durch die Station. "Dort waren 50 Patienten, aber keine Krankenschwester oder andere Hilfskräfte. Zuerst dachte ich, wir müssten die Station schließen. Das war einfach keine Hilfe." Doch dann machten sie ihren Dienst pflichtbewusst weiter, wohl wissend, dass Kenema ein letzter Rückzugsort für Patienten war, die sonst die Erkrankung einfach weiter verbreiten würden. In der Zwischenzeit gab es Gerüchte, Ebola wäre nur eine Falschmeldung oder eine Verschwörung. Leute aus der umliegenden Stadt attackierten das Krankenhaus und warfen Steine auf das Gebäude. Die Polizei musste deshalb Tränengas einsetzen, um die Randalierer zu verjagen.

Am 29. Juli erhielt Sabeti eine zweite E-Mail von einem Epidemiologen in Sierra Leone. Die Nachricht war kurz und einfach: "Dr. Khan ist gestorben."

Nun droht auch noch Lassa

Die Zeit nach Khans Tod war der moralische Tiefpunkt des Ebolaausbruchs in Kenema. Der Verlust des Chefs und so vieler anderer war verheerend. "Die Gemeinschaft war komplett demoralisiert und völlig zerrissen", erinnert sich Joseph Fair. Der Virologe arbeitete seit 2004 in Sierra Leone und beriet das Land zum aktuellen Ausbruch. Sabeti und ihr Team waren völlig geschockt: "Wir liebten Dr. Kahn einfach", fügt Sabeti hinzu.

Als das Paper über die Sequenzierung der ersten 78 Fälle am 28. August veröffentlicht wurde, waren sechs der Autoren, einschließlich Khan und Fonnie, bereits gestorben. Aber dann kam nach und nach Hilfe. Mitarbeiter der WHO und von Ärzte ohne Grenzen füllten die Vorräte an Schutzkleidung auf, und am Rand von Kenema begann das Internationale Komitee des Roten Kreuzes mit dem Bau eines Behandlungszentrums. In Kenema werden immer noch etwa 50 Ebolapatienten betreut. Die Zahl soll aber nun reduziert werden und dafür die Allgemeinstationen wieder geöffnet werden.

Weil sich alle Blicke nur noch auf Ebola richten, machen sich die Ärzte in Kenema jedoch langsam Sorgen wegen des Lassafiebers. Als saisonaler Gipfel gelten hier die Monate November bis April, und diese Zeit rückt näher. Von den ursprünglich 36 Lassaspezialisten sind elf mit Ebola infiziert und sechs gestorben. Aufsichtspersonal, Ärzte, Krankenschwestern, Fahrer, Reinigungspersonal und Laborassistenten haben ihr Leben für Ebola gelassen. Neue Auszubildende und das restliche Team – einschließlich der Ebolaüberlebenden – stehen aber bereit. Bisher sind es allerdings weniger Lassapatienten als für diese Zeit üblich. "Die Patienten kommen wahrscheinlich nur ungern, was gar nicht gut ist", sagt Garry.

Er hofft immer noch auf ein Exzellenzzentrum für Lassaforschung in Kenema. Dort möchte er Afrikaner in der Durchführung klinischer Studien ausbilden, damit sie die Erkrankung beobachten, diagnostizieren und behandeln können. Das Viral Hemorrhagic Fever Consortium will das neue Zentrum nach Dr. Khan benennen, wenn es einmal fertig ist. Es soll mit einem High-Throughput-Sequenziergerät ausgestattet werden, um immer gerade die Viren untersuchen zu können, die aktuell im Umlauf sind. Damit könnte vielleicht der nächste Ausbruch von Ebola oder einer anderen Krankheit erkannt werden, bevor die Lage außer Kontrolle gerät. Garry vertraut auf die Überlebenden in Kenema. "Viele Menschen hier haben einen Großteil ihrer Kindheit damit verbracht, sich im Busch vor den Rebellen zu verstecken", erinnert er sich an die Zeit des Bürgerkriegs zurück. "Die Leute hier sind sehr belastbar."

Sabeti, Garry und ihre Kollegen bereiten nun den nächsten Schritt ihrer Untersuchungen vor: die Sequenzierung der Proben jedes einzelnen Ebolapatienten, der seit dem 18. Juni nach Kenema kam. Dabei wollen sie herausfinden, ob das Virus in gleicher Geschwindigkeit und an gleicher Stelle im Genom weiter mutiert. Zudem interessiert sie, ob Mutationen in den aktuell zirkulierenden Viren die Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch verbesserten oder verschlechterten und zum Tod der Patienten führten. Mit den Daten werden auch Einzelschicksale beleuchtet. So soll beispielsweise der genaue Weg des Virus untersucht werden, das Khan, Aunty Mbalu und so viele ihrer Kollegen infiziert hatte. Auch sie sind damit in den Untersuchungen weiter dabei.

Der Artikel erschien unter dem Titel "Infectious disease: Ebola’s lost ward" in Nature 513, S. 474–477, 2014.

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