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Endzeitszenarien: Kommt der Tod aus dem All?

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben wir von einem der größten und hellsten Sterne am Himmel nichts zu befürchten.
Eta Carinae

Grübelt man über mögliche Endzeitszenarien, die alles Leben auf der Erde vernichten, so fallen einem schnell der Klimawandel, globale Pandemien oder Atomkriege ein – alles existenzielle Bedrohungen, die von unserem eigenen Planeten herrühren. Ein paranoider Blick erinnert einen dann vielleicht noch an Asteroideneinschläge oder gigantische Sonneneruptionen. Im Internet hat dagegen eine andere Theorie Konjunktur: Die gefährlichste aller Gefahren liege nicht nur außerhalb unseres Planeten, sondern sogar außerhalb unseres Sonnensystems.

Rund 7500 Lichtjahre von uns entfernt leuchtet im Sternbild "Kiel des Schiffs" (lateinisch Carina) der Stern Eta Carinae, der mindestens 100-mal massereicher ist als unsere Sonne und bald als Supernova explodieren dürfte. Oder anders ausgedrückt: Eta Carinae gleicht einem riesigen stellaren Pulverfass mit angezündeter Lunte. Tatsächlich könnte sich sein Schicksal bereits erfüllt haben, während sich das Licht als Bote des explosiven Ablebens noch auf dem Weg zu uns befindet. Was genau passiert, wenn die ersten Strahlen – egal ob morgen oder in Zehntausenden von Jahren – auf die Erde treffen, ist derweil umstritten. Panikmacher im Internet erwarten jedenfalls ein globales Massensterben: Sie befürchten, dass die Eta-Carinae-Supernova einen Gammastrahlenausbruch auslöst, eine der hellsten Explosionen im Universum.

Droht das Gammastrahleninferno?

Endet ein extrem massereicher Stern als Supernova, stürzt sein Kern unter der eigenen Schwerkraft zusammen und bringt einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch hervor. Rotierte der Kern sehr schnell, wird sich der stellare Überrest noch schneller drehen – und mit ihm eine umgebende Gas- und Staubscheibe, die dabei nahezu Lichtgeschwindigkeit erreicht. Noch nicht vollständig verstandene Prozesse führen dann dazu, dass sich in dieser aufgeheizten und magnetisierten Materiescheibe entlang der Rotationsachse zwei gegenläufige Jets bilden. Wie die Lichter eines Leuchtturms durchstreifen diese eng gebündelten Teilchenstrahlen das Weltall und senden dabei energiereiche Strahlung aus, die wir als Gammablitz wahrnehmen.

Diese kosmischen Ereignisse werden auch als einer der Gründe dafür gehandelt, warum wir im Universum so allein zu sein scheinen – denn über kurz oder lang würde, so die Idee, nahezu jeder bewohnte Planet von einem Gammablitz getroffen und dessen Biosphäre weggeblasen. Möglicherweise wurde die Erde vor rund 450 Millionen Jahren, am Ende des sogenannten Ordoviziums, bereits zum Ziel, spekulieren einige Forscher. Was auch immer damals wirklich geschah, es vernichtete mehr als schätzungsweise 80 Prozent aller Arten, die zu jener Zeit lebten. Noch deutlich früher in der Erdgeschichte könnten weitere Gammablitze unseren Planeten erfasst und so die Entstehung einer Biosphäre unterdrückt haben, bis die Häufigkeit solcher Beschüsse schließlich unter eine kritische Grenze sank.

Einem einigermaßen plausiblen Endzeitszenario zufolge könnte ein Volltreffer durch einen extrem energiereichen Gammablitz von Eta Carinae unseren Planeten auf ähnliche Art verwüsten wie ein ausgewachsener Atomkrieg – nur noch erheblich schlimmer. Für einige Sekunden würde die dem fernen Sternblitz zugewandte Planetenhemisphäre mit intensiver, hochfrequenter Strahlung geröstet. Der gesamte Himmel würde heller erstrahlen als die Sonne und die enorme Hitze auf dem halben Globus ausgedehnte Waldbrände entfachen. Durch einen Gammablitz würden aber auch Teilchenschauer aus subatomaren Myonen-Partikeln in der Atmosphäre ausgelöst – Lebewesen auf der Oberfläche und bis zu einer gewisse Tiefe im Erdboden und Ozean wären rasch einer tödlichen Dosis der ionisierenden Strahlung ausgesetzt. Auch die von Eta Carinae abgewandte Seite bliebe nicht verschont: Einerseits würde die komplette Ozonschicht zerstört, anderseits fegten Superstürme über den gesamten Planeten. Aus dem schwarzen, mit Ruß gesättigten Himmel würden sich schließlich Sturzbäche von saurem Regen ergießen. Und sobald sich die dunklen Wolken lichteten, würde schädliche UV-Strahlung auf die Oberfläche treffen. Die Erde würde sich buchstäblich blitzartig in einen riesigen Friedhof verwandeln, und die Biosphäre bräuchte Millionen von Jahren, um sich wieder zu regenerieren.

Die meisten Astrophysiker gehen jedoch davon aus, dass Eta Carinae gar keinen Gammastrahlenausbruch hervorrufen wird – und falls doch, würde die Erde nicht in der Schusslinie liegen. Und selbst wenn einer der Jets unseren Planeten träfe, bliebe noch Grund zur Hoffnung. Denn vorausgesetzt der Gammablitz wäre von durchschnittlicher Helligkeit, würde seine Strahlung über die 7500 Lichtjahre lange Distanz zu sehr abgeschwächt, um der Biosphäre ernsthaft zu schaden. Gemäß diesem Szenario dürfte das Ableben von Eta Carinae dann auch recht unspektakulär ausfallen: Der Stern leuchtet am Nachthimmel kurzzeitig so hell auf wie der Vollmond, bevor er allmählich verblasst.

Die Erwartungen driften also stark auseinander. Um die Unstimmigkeiten zu verstehen, lohnt ein näherer Blick auf Eta Carinae. Nachdem Edmond Halley das Gestirn im Jahr 1677 erstmals in einen Sternkatalog aufgenommen hatte, schwankte dessen Helligkeit beträchtlich. Den bisherigen Rekord erreichte es 1843: Für gut zwei Jahrzehnte erstrahlte Eta Carinae als der zweithellste Stern am Himmel. Inzwischen gehen Astronomen bei diesem Ereignis von einer "falschen Supernova" aus – anstatt vollständig zu detonieren, entwichen vermutlich nur rund zehn Prozent seiner Masse in Form von zwei riesigen Gas- und Staubwolken, heute bekannt als Homunculusnebel. Auch aus noch weiter zurückliegenden Materieausbrüchen finden sich leuchtende Überreste um den Stern. Schaut man heute durch ein großes Teleskop, erinnert Eta Carinae an eine Erdnuss, die gerade über Flammen geröstet wird.

Das Doppelsternsystem Eta Carinae mit Homunkulusnebel | Diese Aufnahme von Eta Carinae hat das NACO-Instrument des Very Large Telescope der ESO im nahen Infrarot geschossen. Deutlich sind die bipolare Struktur und die vom Zentralgestirn ausgehenden Jets zu erkennen.

Durch ihre enorme Leuchtkraft erzeugt Eta Carinae einen hohen Strahlungsdruck, der sich einerseits der nach innen wirkenden Schwerkraft entgegensetzt und der anderseits starke Sternwinde antreibt und so die äußeren Schichten ins All bläst. Tief im Inneren des Sterns, unter einer dichten Wasserstoffhülle, verbergen sich Schichten ähnlich denen innerhalb einer Zwiebel, in denen jeweils unterschiedliche Fusionsreaktionen ablaufen. Die vergangenen Ausbrüche und Pulsationen von Eta Carinae rühren vielleicht von Instabilitäten zwischen diesen inneren Schichten her, wenn darin ein Brennstoff verbraucht ist und daraufhin andere chemische Elemente miteinander verschmelzen.

Laut Alex Filippenko von der University of California in Berkeley verringern die dichte Wasserstoffhülle und die starken Sternwinde die Wahrscheinlichkeit für Eta Carinae, einen Gammastrahlenausbruch auszulösen. "Eine dichte Wasserstoffhülle erschwert es einem relativistischen Jet sich seinen Weg aus dem Stern zu bahnen", so der Astrophysiker. "Sollte Eta Carinae allerdings erst in ferner Zukunft explodieren und es gäbe genug Zeit, um die äußere Hülle loszuwerden, könnte es schon eher auf einen Gammastrahlenausbruch hinauslaufen." Andererseits, fügt er hinzu, würden die Sternwinde vermutlich deutlich an Stärke gewinnen, sobald die äußere Hülle fehlt. Dadurch würde auch Drehimpuls fortgetragen und der Sternrest nach einem Kernkollaps womöglich nicht schnell genug rotieren, um die richtigen Voraussetzungen zu schaffen. "All das macht einen Gammablitz zwar eher unwahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich", fasst Filippenko zusammen. "Und selbst wenn Eta Carinae die Wasserstoffhülle vor der Explosion verliert und einen Gammastrahlenausbruch erzeugt, zielt der höchstwahrscheinlich nicht auf uns." Die beiden Gaswolken des Homunculusnebels sind relativ zu unserer Richtung um einen Winkel von etwa vierzig Grad geneigt – ein Gammablitz, der entlang der Rotationsachse eines kollabierenden Sterns entweicht, hätte einen Öffnungswinkel von etwa zehn Grad oder weniger, erklärt Filippenko. Nimmt man also an, der Homunculusnebel sei entlang der Rotationsachse von Eta Carinae ausgerichtet, dürfte ein Gammastrahlenausbruch unser Sonnensystem um einiges verfehlen.

Endet Eta Carinae im Gammastrahlenausbruch? | Die Zeichnung veranschaulicht, wie ein massereicher Stern zum Schwarzen Loch wird – was irgendwann unausweichlich ist, soblad der Brennstoff des Sterns als Eisenasche in seinem Inneren einen kritischen Punkt erreicht und kollabiert. Im Normalfall resultiert daraus eine Supernova, die Energie in alle Richtungen abgibt, gelegentlich aber werden an den Polen des schnell rotierenden Objektes hochenergetische Jets freigesetzt, die auch aus weiter Entfernung noch als Gammablitze von wenigen Millisekunden bis Minuten Dauer wahrzunehmen sind. Wären solche Jets zufällig aus einer nicht zu großen Entfernung auf die Erde gerichtet, so könnte das gravierende Folgen für unsere Biosphäre haben.

Leider haben diese Überlegungen eine große Schwachstelle: 2005 stellten Astronomen nämlich fest, dass es sich bei Eta Carinae um ein Doppelsternsystem handelt. Ein relativ kleiner Begleiter mit "nur" dreißig Sonnenmassen umrundet etwa alle fünf Jahre einen Stern mit der 100-fachen Sonnenmasse. Je nachdem wie der Orbit des kleineren Gestirns ausgerichtet ist, könnte der Homunculusnebel doch nicht, wie bisher angenommen, mit der Rotationsachse des massereichen Sterns zusammenfallen. Zudem führen die gravitativen Wechselwirkungen zwischen den beiden Himmelskörpern oder mit einem vorbeiziehenden Stern möglicherweise dazu, dass die Rotationsachse des massereichen Sterns ihre Position im Raum verändert und vielleicht direkt in unsere Richtung weist. Darüber hinaus könnte die Präsenz eines Begleitsterns auch die Entwicklung des massereichen Sterns beeinflussen – Zeitpunkt und Dynamik einer eventuellen Supernova ließen sich damit noch schwerer vorhersagen.

Alle diese Variablen tragen maßgeblich dazu bei, dass Eta Carinae uns heute in große Verlegenheit bringt, berichtet Stan Woosley von der University of California in Santa Cruz. Der Astrophysiker hat sich darauf spezialisiert, die Entwicklung und das Lebensende von Sternen zu modellieren. "Niemand weiß, was dort vor sich geht. Eta Carinae könnte schon morgen oder erst in ferner Zukunft dahinscheiden."

Das künftige Verhalten hängt zumindest teilweise davon ab, welche chemischen Elemente gegenwärtig im Inneren des Sterns verbrannt werden. Werden beispielsweise vornehmlich Sauerstoff oder Kohlenstoff in oder nahe seinem Kern fusioniert, blieben Eta Carinae vielleicht nur noch wenige Jahre, höchstens Jahrhunderte, und sie könnte bald ihre äußere Wasserstoffhülle abwerfen. Verschmelzen im Inneren dagegen Heliumkerne miteinander, würde der Stern wahrscheinlich noch für weitere Hunderttausende von Jahren am Himmel erstrahlen. Oder aber Eta Carinae bläht sich durch die Heliumfusion wie ein Ballon auf und wird zu einem sogenannten Überriesen. In diesem Fall dringt der kleine Begleitstern womöglich in die äußere Wasserstoffhülle ein und wirbelt diese durcheinander, was die Lebenszeit des Überriesens verkürzt.

Sobald der Stern stirbt, erklärt Woosley, wird sein Kern in sich zusammenstürzen und ein Schwarzes Loch hervorbringen. Allerdings wird es sich zu langsam drehen, um eine relativistische Materiescheibe und einen Gammablitz entstehen zu lassen. Und ohne eine solche Gas- und Staubscheibe könnte das Ableben von Eta Carinae "besonders unspektakulär" ausfallen: Es würde nicht einmal eine Supernova auftreten, weil die Überreste des Sterns hinter dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs verschwinden. "Manchmal frage ich mich, ob Eta Carinae das bereits widerfahren ist", sagt Woosley. "Aber man versichert mir, der Stern sei immer noch zu sehen."


Der Text ist im Original "Fact or Fiction?: The Explosive Death of Eta Carinae Will Cause a Mass Extinction" in Scientific American erschienen.

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