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Sternentwicklung: Kosmisches Kino

Herbig-Haro-Jet
Herbig-Haro-Jets | Auf diesen Aufnahmen sind die Herbig-Haro-Objekte HH 47 (oben), HH 34 (unten links) und HH 2 (unten rechts) dargestellt. Kollisionen der Jets mit langsameren Gaswolken heizen die hellblau leuchtenden Randbereiche auf, während in kälteren rot leuchtende Materie nachrückt.
Aufnahmen aus dem Weltraum zeigen scheinbar statische Objekte. Dabei liegen den kosmischen Schnappschüssen höchst wechselvolle Prozesse zugrunde, die uns aber wegen der Zeitskalen, auf denen sie sich abspielen, meist verborgen bleiben. Astronomen konnten nun einer Serie von Bildern junger Sterne ihre hintergründige Dynamik entlocken. Es ist der kontinuierlichen Beobachtung durch das Weltraumteleskop Hubble über einen Zeitraum von 14 Jahren und der intensiven Auswertung der Daten durch Wissenschaftler der amerikanischen Rice University in Houston zu verdanken, dass erstmals bewegte Bilder der Entwicklung dreier protostellarer Jets über einen Zeitraum von 1994 bis 2008 zur Verfügung stehen.

Herbig-Haro-Objekt HH 34 | So entwickelte sich das Herbig-Haro-Objekt HH 34 zwischen 1994 und 2007. Die blaue Struktur (links) wird vom jungen Stern gespeist und beleuchtet, während sich nach rechts Klumpen aus leuchtendem Gas ausbreiten.
Die beobachteten Objekte sind drei so genannte Herbig-Haro-Jets, benannt nach George Herbig und Guillermo Haro, die sie bei Studien zur Sternentstehung in den 1940er Jahren unabhängig voneinander analysierten. Es sind Gebilde, die sich bei der Geburt von Sternen entwickeln, wenn diese Gas in Richtung ihrer Pole ausstoßen und die Teilchen mit Materie im umgebenden Raum kollidieren. In der Anfangsphase seiner Entstehung sammelt ein junger Stern Staub und Gas aus seiner Umgebung zu einer Scheibe, die in seiner Nähe immer schneller rotiert. Schließlich stößt er mit Geschwindigkeiten von mehreren hundert Kilometern in der Sekunde schmale, konzentrierte Materieströme entlang seiner Drehachse aus – so lange, bis er keinen Nachschub mehr aus der Umgebung erhält.


Die eindrucksvollen Filmsequenzen zeigen, wie sich die Jets in den interstellaren Raum ausdehnen, mit Gaswolken zusammenstoßen und aufleuchten und dabei eine Vielzahl von Wechselwirkungen eingehen. Ihre Analyse hat die Gruppe um Patrick Hartigan am 20. Juli 2011 im Astrophysical Journal veröffentlicht. Von jedem der Sterne, deren Jets untersucht wurden, nahm Hubble in den Jahren 1994, 1998 und 2008 Bilder auf. Durch Computerberechnungen war es möglich, die dazwischen liegenden Zeiträume zu simulieren und somit Filme zu erstellen.

In den entstandenen Filmen lassen sich die komplexen Abläufe in der Umgebung entstehender Sterne über einen längeren Zeitraum nachvollziehen. Jede kleine strukturelle Veränderung wie das plötzliche Aufleuchten oder die Verformung einzelner Bereiche ist dabei Ausdruck unterschiedlicher physikalischer Prozesse, die sich nun auch mit bisherigen theoretischen Modellen und Simulationen vergleichen lassen.

Versuche, über Computersimulationen Zugang zu der anspruchsvollen Dynamik des Weltalls zu erlangen, führen für ein Modellsystem je nach gewählten Randbedingungen oft zu sehr verschiedenen Ergebnissen. Dass sich jetzt die langsame Entwicklung kosmischer Objekte in der Realität beobachten ließ, ermöglicht den Wissenschaftlern, ihr Verständnis der physikalischen Wechselwirkungen zu überprüfen.

Der Beobachtungszeitraum von 14 Jahren ist zwar winzig gemessen an kosmischen Maßstäben, doch Herbig-Haro-Jets sind mit einigen zehntausend Jahren ebenfalls sehr kurzlebig. Sie sind mit etwa 1350 Lichtjahren Entfernung nah genug und bewegen sich ausreichend schnell, so dass Hubble die Veränderungen mit guter Auflösung verfolgen kann. Bereits dieser Blick in ein nur kleines Zeitfenster der Lebensdauer der Jets stellt die Astronomen vor Herausforderungen. Gasteilchen kollidieren und das Inventar an möglichen Prozessen und dabei wirkenden Kräften ist groß. Es gilt, Bewegungen unterschiedlich schneller Bereiche der Jets zu interpretieren und zu verstehen, warum Wirbel und Knoten aus Gas plötzlich aufleuchten und verschwinden oder zwei Jets, die symmetrisch zu beiden Seiten des Sterns ausgestoßen werden, eine gänzlich unterschiedliche Entwicklung nehmen können.

Die Interpretation der beobachteten Phänomene führt die Wissenschaftler über die Grenzen ihrer Fachbereiche hinaus, und sie bedienen sich für ein Verständnis der Vorgänge beispielsweise der Methoden der Fluiddynamik. Das Team um Hartigan führte im Labor bereits ausgefeilte Experimente mit lasergezündeten Plasma-Schockwellen durch, die sich in einem Medium aus Polymerschaum ausbreiten, um die Kollision von Jets mit Hindernissen nachzuvollziehen.

Somit sind die spektakulären bewegten Bilder der ausgestoßenen Materie junger Sterne nicht nur sehr ästhetisch. Astronomen erhalten durch sie ein neues Werkzeug, das ihr Verständnis von grundlegenden kosmischen Vorgängen überprüfbar macht und sie zu neuen Methoden und Erkenntnissen anregt.

Mike Beckers

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  • Quellen
ESA und NASA, 31. August 2011

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