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Bienen: Lebensnotwendiges Pilzgericht

Damit die Larven einer brasilianischen Biene wachsen und gedeihen, brauchen sie ungewöhnliche Hilfe: Ein Pilz befällt die Waben und sorgt für antimikrobielles Wohlfühlklima.
Scaptodrigona depilis bauen ihr Nest

Eigentlich wollten sie im Labor Bienenköniginnen züchten, doch stattdessen produzierten brasilianische Forscher eine weiße Pilzfarm, in der all ihre Larven starben. Die Arbeitsgruppe um Cristiano Menezes von der Universität von São Paulo konnte nicht fassen, dass der Pilz ihre Larven dahinraffte, und wiederholte den Versuch mehrmals, wobei sie dem weißen Mikroorganismus beispielsweise mit Chemikalien zu Leibe rückte – doch übrig blieb immer nur der Pilz. Die Forscher wechselten die Strategie und beobachteten in ihrer natürlichen Umgebung Larven dieser stachellosen und Staaten bildenden Bienenart, fachsprachlich als Scaptotrigona depilis bezeichnet. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass der Pilz auch dort in den Larvenwaben wächst – allerdings in einem geringeren Ausmaß – und anschließend gemeinsam mit dem Futter in der Wabe verspeist wird.

Der Pilz scheint also in einem Zusammenhang mit dem Heranwachsen der Larven zu stehen. Dem wollten die Forscher nachgehen und gaben mehreren Larven entweder mit oder ohne Pilz angereichertes Futter. Danach verzeichneten sie für die Insekten mit der Pilznahrung eine vergleichbar hohe Überlebensrate wie in der freien Natur. Von den anderen überlebte fast keines der Individuen. Der Pilz, der nach Erbgutanalysen den Monascus-Pilzen zugeordnet werden konnte, scheint also eine lebensnotwendige Grundlage für die Larven darzustellen.

© Cristiano Menezes, University of São Paulo
Larve frisst Pilz

Pilz als Schutzschild gegen Bakterien?

Monascus-Pilze seien laut Monica Rupo und Camila Paludo, die an der Universität von São Paulo zu den Mikroorganismen forschen, jahrhundertelang vor allem zur Konservierung von Reis, Fleisch und Fisch in Asien genutzt worden. Die antibakteriell wirkenden chemischen Verbindungen, die der Pilz produziert, fanden zudem Verwendung in der fernöstlichen Volksmedizin. Da außerdem Larvenfutter, das den Pilz nicht enthielt, in der Wabe verfaulte, überlegten die Forscher, ob der Pilz nicht auch hier eine antibakterielle Wirkung entfaltet. Allerdings ließ sich dies experimentell noch nicht belegen. Möglicherweise wirkt er stattdessen über den Darm der Tiere: Bei Larven, die auf das Pilzgericht verzichten mussten, verfärbte sich der Darm nach den ersten sechs Tagen dunkel, und ab dem siebten Tag begann das Larvensterben.

Larve in der vom weißen Pilz ausgekleideten Wabe

Auch der Pilz hat im Bienennest eine stabile und Sicherheit bietende Unterkunft gefunden. Nur wie kommt er eigentlich dorthin? Die Forscher konnten nie eine Biene beobachten, die Pilzgeflecht in das Nest transportierte. Deshalb vermuteten sie, dass der Pilz über die Nahrung in den Larvendarm gelangt und sich dort auf Dauer einnistet. Diese erwachsene Biene gibt ihn dann im Zuge des Nestbaus in Form von Cerumen ab – einer Art selbstproduziertem Wachspflanzenharzgemisch. Um herauszufinden, ob das Cerumen den Pilz enthält, gaben die Forscher es auf Larvenfutter und stellten fest: Der Pilz begann darauf zu wachsen! Auf anderen von den Bienen verwendeten Stoffen wuchs er hingegen nicht. Damit scheint der Pilz stets im Nest zu bleiben.

Wenn sich Völker von Scaptotrigona depilis verbreiten, schwärmt eine neue Bienenkönigin erst dann mit einem Teil des Volks aus, wenn an anderer Stelle bereits ein Nest mit Futter entstanden ist. Da auch die neue Unterkunft mit dem Cerumen ausgekleidet ist, gelangt der Pilz problemlos von einer Kolonie zur nächsten – ein augenscheinlich überaus harmonisches Zusammenleben. Die Forscher kennen solche symbiotischen "Wohngemeinschaften" bereits von manchen anderen Bienenarten und wollen diese Formen des Zusammenseins noch genauer untersuchen. So gibt es beispielsweise im Amazonasgebiet eine stachellose Biene, die sich Schildläuse in ihrem Bau hält, welche sie mit Honigtau und Wachs versorgen. Allerdings stellt Menezes fest: "Die Art und Weise, wie der Pilz durch die Brutpflege verbreitet wird, ist erstaunlich. Das ist wirklich einzigartig unter all den Insekten, die Pilze kultivieren!"

Stört der Mensch die Symbiose?

Da sich Scaptotrigona depilis von Nektar, beispielsweise aus der Kaffee- oder Avocadopflanze, ernährt, stellt sich die Frage, ob Fungizide, die in der Kultivierung solcher Pflanzen verwendet werden, Auswirkungen auf die Bienenpopulationen haben. Für die erwachsene Biene ließen sich bisher keine negativen Konsequenzen finden. Mit den Befunden aus dieser Studie scheint es jedoch zudem nötig zu sein, die Auswirkungen auf die Larven zu überprüfen. Fakt ist, dass weltweit die Bienenpopulationen schrumpfen, was sich negativ auf die Landwirtschaft auswirkt. Wie sich allerdings Fungizide auf verschiedene Bienenarten im Allgemeinen oder Scaptotrigona depilis im Speziellen auswirken, gilt es noch abzuklären.

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