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Anti-Gravitationslinseneffekt: Leerräume im Weltall verstärken Hintergrundlicht

Millennium-Simulation

Starke Gravitationsfelder wie etwa um Schwarze Löcher oder Galaxienhaufen lenken das Licht von Hintergrundobjekten ab, wodurch diese heller und teils verzerrt erscheinen. Eine ähnliche Art von Gravitationslinseneffekt lässt sich auch für kosmische Leerräume beobachten: Anders als massereiche Regionen sollten diese riesigen Blasen im All dahinter liegende Lichtquellen abschwächen. Wissenschaftler um Krzysztof Bolejko von der University of Sydney in Australien zeigen nun jedoch das Gegenteil – und glauben sogar, dieser Anti-Gravitationslinseneffekt könne sich auf die Interpretation von Galaxiendurchmusterungen oder Supernova-Beobachtungen auswirken.

Die Hohlräume besitzen Durchmesser von einigen zehn bis hundert Millionen Lichtjahren und füllen zusammengenommen mehr als die Hälfte des Universums aus. Tritt Licht von Hintergrundobjekten durch die kosmischen Blasen hindurch, müssten diese laut etablierten Modellen kleiner und damit etwas dunkler erscheinen, als sie es eigentlich sind. Bolejko und sein Team spielten dieses Szenario nun im Computer nach, wobei sie einen bisher unberücksichtigten Effekt einbezogen: Die Leerräume expandieren schneller als das umgebende Weltall, wodurch die Wellenlänge des Lichts stärker gestreckt wird. Diese zusätzliche Rotverschiebung führt nun dazu, erläutern die Forscher, dass man die Distanz zu Objekten nahe der uns abgewandten Seite des Leerraums oder darin überschätzt. Tatsächlich wirken die Objekte also heller als sie es ohne die Blase wären. Dieser Effekt könne sogar noch stärker ausfallen als der herkömmliche schwache Gravitationslinseneffekt – nur eben mit entgegengesetzten Folgen.

Verteilung der Materie im Universum | Das Bild zeigt einen Schnitt durch die Millennium-Simulation aus dem Jahr 2005, die das Wachstum kosmischer Strukturen nachspielte. Auf Skalen von mehreren Milliarden Lichtjahren (der eingezeichnete Strich überspannt rund zwei Milliarden Lichtjahre) erscheint das Universum fast homogen, tatsächlich besteht es aber aus einem komplexen "kosmischen Netz" aus dunkler Materie (violett) auf Skalen bis zu etwa 300 Millionen Lichtjahren. Diese Großraumstruktur besteht aus Filamenten, die große Leerräume umspannen und sich in massereichen Halos aus Materie treffen. Die größten dieser Halos sind mächtige Galaxienhaufen, die über eintausend Galaxien enthalten (gelb).

Um diese abzuschätzen, simulierten die Wissenschaftler verschiedene rund 1,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernte Leerräume mit einem Durchmesser von jeweils 160 Millionen Lichtjahren. Wie stark das Licht abgelenkt wird, hängt demnach auch von der Form – in den Modellen von kugelförmig bis eher zylindrisch – der Blasen ab. In keinem Fall stimmt sie aber mit den bisherigen Vorhersagen überein, so Bolejko und seine Kollegen. Es sei denn, das Hintergrundobjekt lag sehr weit hinter dem Hohlraum.

Wegen der möglichen Stärke des Effekts sei es enorm wichtig, diesen etwa in Galaxiendurchmusterungen und Supernova-Beobachtungen zu berücksichtigen. So könnte das Phänomen womöglich erklären, spekulieren die Wissenschaftler um Bolejko, warum Supernovae vom Typ Ia je nach ihrer Nachbarschaft offenbar mal mehr und mal weniger stark vom Durchschnitt abweichen. Denn die Helligkeit der Exemplare am Rand von Leerräumen könnte durch den Anti-Gravitationslinseneffekt verfälscht werden, im Gegensatz zu solchen in Galaxienhaufen.

Das Universum bildet auf großen Skalen ein komplexes Geflecht aus gigantischen Galaxienansammlungen, die durch fadenförmige Materiestrukturen verbunden sind. Diese Filamente umspannen wiederum riesige Leerräume im Kosmos, in denen kaum Materie zu finden ist. Über den Gravitationslinseneffekt schätzen Astronomen beispielsweise die Masse der "Linse" oder die Materiedichte entlang einer bestimmten Sichtlinie ab. Mit dem Anti-Gravitationslinseneffekt, so Bolejko, ließe sich womöglich auch das Ausmaß von Leerräumen im All charakterisieren.

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