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Bionik: Lotusblätter schütteln Tau ab

Lotuseffekt
Der Aufbau von Lotuspflanzen begünstigt starkes Schwingen im Wind, um festhängende Tautropfen abzuschütteln. Denn anders als Regentropfen können sich diese beim Kondensieren mit der sonst Wasser abweisenden Blattfläche verbinden. Jonathan Boreyko und Chuan-Hua Chen von der Duke University in Durham berechneten nun, wie viel Kraft nötig ist, um die Flüssigkeit von den Blättern zu lösen. In Zukunft könnten auch künstliche Oberflächen mit Hilfe von Vibrationen von Kondenswasser befreit werden.

Regen- und Tautropfen auf Lotusoberflächen | Fällt ein Tropfen auf eine Lotusoberfläche, berührt er nur die Spitzen der Mikrostruktur, so dass er kaum an ihr haftet (Cassie-Zustand). Kondensiert der Tropfen dagegen direkt an der Oberfläche, so füllt er die Zwischenräume der Struktur aus und haftet sogar noch fester als an einer glatten Fläche (Wenzel-Zustand).
Lotusblätter besitzen auf ihrer Oberseite mikroskopische Erhebungen, so dass auftreffende Wassertropfen nur deren Spitzen berühren und daher keinen Halt finden. Bei kondensierendem Wasserdampf kehrt sich dieser Lotuseffekt jedoch um: Die Wassermoleküle verflüssigen sich im gesamten Raum zwischen den Spitzen und verzahnen den entstehenden Tropfen regelrecht mit der Oberfläche.

Erst wenn eine ausreichend starke Beschleunigung auf die Flüssigkeit wirkt, löst sie sich abrupt und perlt ab. Boreyko und Chen untersuchten diesen Übergang, indem sie die von Tau bedeckten Lotusblätter vibrieren ließen. So konnten sie schließlich mathematisch beschreiben, bei welcher Frequenz und Intensität der Schwingungen sich ein Tropfen bestimmter Größe ablöst.

Lotuseffekt | An Lotusblättern perlen Flüssigkeiten sofort ab, da die Oberfläche der Pflanzenteile von wenigen Mikrometer großen Erhebungen bedeckt ist. Die Tropfen berühren nur die Spitzen dieser Hügel und haben daher eine geringe Haftfläche zur Verfügung.
Um sich von durchschnittlichem Morgentau zu befreien, muss ein Blatt demnach mit einer Geschwindigkeit von mindestens zehn Zentimetern pro Sekunde schwingen. Viele Lotusarten erreichen dies schon bei wenig Wind, da sie relativ schwere Blätter mit großer Oberfläche besitzen, die an langen, flexiblen Stielen wachsen. Um künstliche Oberflächen von Kondenswasser zu befreien, müssten diese laut den Forschern jedoch nicht wie die Lotusblätter weit hin- und herschwingen; weil letztlich nur die auf die Tropfen wirkende Beschleunigung entscheidend ist, können kleine, aber schnelle Vibrationen zum selben Ergebnis führen.

Der Lotuseffekt ist eine der bekanntesten technischen Anwendungen nach dem Vorbild der Natur. Wasser abstoßende Oberflächen mit Lotuseffekt sind seit Mitte der 1990er Jahre erhältlich und existieren inzwischen für Badkeramik, Autolacke, Kameralinsen und sogar Textilien. Wie bei der Lotuspflanze nimmt das abperlende Wasser Schmutzteilchen auf, womit eine selbstreinigende Oberfläche entsteht. Haftendes Kondenswasser ist für Anwendungen in feuchten Räumen und im Freien bis jetzt jedoch mitunter ein Problem. (rs)

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  • Quellen
Boreyko, J. B., Chen, C.: Restoring Superhydrophobicity of Lotus Leaves with Vibration-Induced Dewetting. In: Physical Review Letters 103, 174502, 2009.

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