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Gedächtnis: Mach mal Pause!

Ein Protein in Neuronen steuert, wann Gelerntes am besten behalten wird.
Wer bei Prüfungsvorbereitungen die Lerneinheiten gleichmäßig über einen längeren Zeitraum verteilt und immer wieder Pausen einlegt, kann sich den Stoff besser merken, als wenn er versucht, sich alles in einem Rutsch einzutrichtern. Den Grund dafür identifizierten jetzt Forscher um Yi Zhong vom Cold Spring Harbor Laboratory in New York. Die Neurobiologen fanden heraus, dass ein bestimmtes Enzym in den Nervenzellen maßgeblich für den so genannten spacing effect verantwortlich ist – Tyrosinphosphatase SHP-2. Seine Aktivität bestimmt, bei welcher Länge von Lernpausen das neu erworbene Wissen am besten haften bleibt.

Als Modell dienten den Forschern Taufliegen (Drosophila melanogaster), bei denen SHP-2 auf Grund einer Genmutation aktiver war. In zehn Trainingseinheiten sollten die Tiere lernen, bestimmte Gerüche zu meiden. Dazu wurden sie jeweils für eine Minute einem Duftstoff ausgesetzt und erhielten gleichzeitig einen kleinen Stromschlag. Im Anschluss folgte ein zweiter Duft zur Kontrolle, diesmal ohne Elektroschock, gefolgt von einer 15-minütigen Pause. Nach 24 Stunden überprüften die Biologen, wie gut die Fliegen gelernt hatten, vor dem ersten Geruch zu fliehen.

Im Vergleich zu normalen Fliegen reduzierte sich die Gedächtnisleistung der Mutanten um fast die Hälfte. Nur bei deutlich längeren Pausen von rund 40 Minuten konnten sie mit den nicht manipulierten Artgenossen mithalten. Hemmten die Wissenschaftler jedoch die Aktivität des veränderten SHP-2-Enzyms, lernten die Tiere wieder normal.

"Die erhöhte Aktivität des SHP-2-Proteins verhindert, dass Informationen im Langzeitgedächtnis gespeichert werden", erklärt Zhong. Normalerweise löst das Enzym biochemische Reaktionen in den Nervenzellen aus, die wie eine Welle einen Höhepunkt erreichen und wieder abklingen, bevor die nächste Lerneinheit beginnt. Diese Aktivitätsschwankungen der beteiligten Proteine helfen, Informationen ins Langzeitgedächtnis zu überführen. Das veränderte SHP-2 dehnt den zeitlichen Verlauf der Signalkette in den Neuronen und vermindert dadurch die Gedächtnisleistung, wenn die Lernpausen nicht ebenfalls verlängert werden.

Vergleichbare Mutationen gibt es auch bei Menschen mit dem "Noonan-Syndrom". Die Betroffenen leiden unter anderem an Lern- und Gedächtnisstörungen. Ob sich ihre Merkfähigkeit durch lange Pausen verbessert, soll nun geprüft werden. (lw)


Pagani, M. et al.: The Phosphatase SHP2 Regulates the Spacing Effect for Long-Term Memory Induction. In: Cell 139(1), S. 186-198, 2009.

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