Direkt zum Inhalt

Physiologie: Mahlzeit mit Trainingseffekt

Nur gelegentlich belastet sich der Tigerpython mit Nahrungsaufnahme - dann aber gleich mit einem äußerst üppigen Mahl. Der Verdauungsprozess ist deswegen entsprechend langwierig und fordert nicht nur dem Magen-Darm-Trakt Höchstleistungen ab, sondern auch dem Herzen. Dafür steigert die Schlange die Leistungsfähigkeit der Blutpumpe in einem Tempo, das Leistungssportler vor Neid erblassen lassen könnte.
Tigerpython
Bei 53 und einem halben Hot-Dog innerhalb von zwölf Minuten Verschlingzeit steht der Weltrekord von zweifelhaftem Wert im Würstchen-Wettfuttern, gehalten von einem 66-Kilo-Mann. Ein Python kann über solcherlei Wettbewerbe nur gnädig lächeln – für ihn wäre diese Nahrungsmenge alles andere als rekordverdächtig. Zwar hält es die Riesenschlange schon mal ein Jahr lang ohne Essen aus, kann dann aber auch Beute verschlingen, die genauso viel wiegt wie sie selbst. Nach einem solch opulenten Mahl gönnt sie sich allerdings reichlich Muße für die Verdauung. Die braucht sie auch, denn die Aufschlüsselung der Speise dauert rund zwei Wochen und bedeutet für den Schlangenkörper Schwerstarbeit.

Innerhalb von zwei Tagen passt das Reptil das Verdauungssystem an die plötzlich in seinem Bauch vorhandene Nahrungsmenge an und vergrößert den Magen, das Darmvolumen, die Niere und die Leber beträchtlich. Auch seinen Stoffwechsel kurbelt es flott an – bis zu 14 Tage lang bleibt er um vierzig Prozent über dem Normalniveau. Die enorme Verdauungsarbeit stellt auch hohe Anforderungen an das kardiovaskuläre System, denn sie benötigt viel Sauerstoff – deswegen vergrößern sich auch Herz und Lunge.

Doch wie gelingt dem Python diese schlagartige Anpassung seines Herzens an die plötzliche Herausforderung? Diese Frage klärte nun das Team um James Hicks von der Universität von Kalifornien in Irvine.

Tigerpython | Die Herzventrikel des Python wachsen nach einer Mahlzeit rasant.
Die Wissenschaftler fütterten Tigerpythons (Python morulus) nach einer 28-tägigen Fastenzeit und beobachteten die Auswirkung der Verdauungsleistung auf das Herz der Tiere. Die war enorm: Nur zwei Tage nach der Mahlzeit war der Sauerstoffverbrauch der Reptilien um das Siebenfache angestiegen, und die Herzventrikel hatten sich um vierzig Prozent vergrößert. 28 Tage nach der Nahrungsaufnahme war der Spuk jedoch vorbei: Das Essen war verdaut, und sowohl der Sauerstoffverbrauch als auch die Herzgröße hatten wieder das Ausgangsniveau erreicht.

Die sprunghafte Größenzunahme des Schlangenherzens resultierte dabei nicht etwa aus einer einfachen Flüssigkeitsaufnahme, wie es bei der schlagartigen Vergrößerung des Darmes der Fall ist. Die Reptilien steigerten vielmehr die Produktion von Muskelprotein und bauten dem Herzmuskel neue kontraktile Elemente ein. Dadurch nimmt das Herz an Masse zu und kann die hohe erforderliche Leistung bringen.

Dieses Wachstum des Herzens verdauender Schlangen geht enorm schnell – Säugetiere brauchen wesentlich länger, um ihre Pumpleistung an einen höheren Leistungsbedarf anzupassen. So muss der Mensch mehrere Wochen lang regelmäßig trainieren, um das Schlagvolumen des Herzens zu steigern. Der Python ist also dem Menschen nicht nur in der akuten Fressleistung überlegen, sondern auch im Tempo, mit dem er seine physiologischen Gegebenheiten an den veränderten Bedarf angleicht.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.