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Quantenphysik: Manipulation im kleinen Maßstab

Dirac-Gleichung
In Computern entstehen Sterne und sogar ganze Universen, die Spuren bisher unentdeckter Elementarteilchen leuchten über den Bildschirm, und selbst ein virtueller Blick auf das Klima in 100 Jahren ist möglich. Simulationen erleichtern den Wissenschaftlern in diesen und vielen anderen Bereichen bereits die Arbeit. Ein Allzweckmittel sind sie aber noch lange nicht.

Gerade im kleinen Maßstab versagt das Prozedere: Bereits Systeme aus weniger als drei Dutzend Quantenteilchen sind zu komplex, um deren Eigenschaften und Zusammenwirken im Rechner akkurat nachzuahmen. Denn die Menge der möglichen Zustände steigt exponentiell mit der Teilchenzahl, und damit stößt ein klassischer Computer schnell an seine Leistungsgrenzen. Für Physiker deprimierend, denn zahlreiche Phänomene ließen sich mit Hilfe von Simulationen besser verstehen – etwa Schwarze Löcher, der Quanten-Hall-Effekt oder die Hochtemperatursupraleitung, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Simulierte Quanten

Einen Ausweg böten zukünftige Quantencomputer, die mit derlei Problemen spielend umgehen könnten. Nur liegt diese Technik leider noch in weiter Ferne. Anstatt auf den universellen Rechner zu warten, entwickelten Wissenschaftler in den vergangenen Jahren so genannte Quantensimulatoren. Dass solche Modellsysteme funktionieren, haben bereits mehrere Experimente gezeigt, darunter beispielsweise die Simulation von Quantenmagneten mit Hilfe von zwei Magnesiumionen [1]. Der Trick: Das Verhalten der beiden Teilchen lässt sich exakt kontrollieren und gerade so hinbiegen, dass es in der mathematischen Beschreibung ein nicht direkt zugängliches Quantensystem imitiert.

Ionen in der Falle | In dieser Aufnahme sind acht Kalziumionen mit Hilfe von elektrischen Feldern eingesperrt. Diese Falle nutzten auch die Physiker um Christian Roos für ihr Ion.
Christian Roos vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Innsbruck und seine Kollegen haben nun mit einer ähnlichen Absicht ein einzelnes Kalziumion in einem Käfig aus elektrischen Feldern gefangen gehalten. Mit Hilfe dieser Apparatur wollen sie ein Elektron simulieren, das sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, während keinerlei Kräfte darauf wirken.

Beschreiben lässt sich ein solches Teilchen mit der so genannten Dirac-Gleichung, welche Quantenmechanik und spezielle Relativitätstheorie vereint. Die Lösungen der 1928 aufgestellten Gleichung – oder vielmehr deren Interpretation – haben bereits viel Furore gemacht: Paul Dirac postulierte ein Antiteilchen zum Elektron, das Positron. Ein Jahr später wurde die gewagte Hypothese zur Gewissheit.

Seltsames Zittern

Ein anderer großer Physiker, Erwin Schrödinger, leitete aus der Formel ab, dass ein Elektron wie jenes im Experiment von Roos und Co simulierte eine Zitterbewegung ausführen sollte – obwohl keine Kräfte auf das Teilchen wirken. Diese in der klassischen Mechanik undenkbare Eigenschaft freier relativistischer Teilchen ist bis heute nicht experimentell nachgewiesen worden. Vor allem wohl, weil die prognostizierte Amplitude der Schwingungen nur etwa ein tausendstel Nanometer beträgt.

Mit ihrem Kalziumion wollen Roos und sein Team nun genau diese verborgenen Zitterbewegungen nachstellen. Schließlich lässt sich das elektrisch geladene Atom mit dem gleichen mathematischen Modell beschreiben wie das freie relativistische Teilchen. Die Kunst liegt nun darin, die mathematische Gleichung, die ein solches Elektron beschreibt, mit Hilfe des Modellsystems zu reproduzieren.

Aus diesem Grund manipulierten die Forscher das Ion mittels Laserlicht gerade so, dass sich sein Verhalten durch eine mathematische Gleichung ausdrücken lässt, welche auch die gewünschten Eigenschaften des Elektrons widerspiegelt. Dabei simulieren zwei Energiezustände des Ions die positiven und negativen Energiezustände des Elektrons und dessen Ort und Impuls die entsprechenden Größen des relativistischen Teilchens.

Viel versprechendes Prinzip

Tatsächlich gelang es den Wissenschaftler auf diese Weise, die Zitterbewegung zu bestätigen und sogar zu untersuchen [2]. Je nachdem in welcher Weise sie das Ion beeinflussten, konnten sie das "Zittern" an- oder abstellen. Demnach resultiert die seltsame Bewegung, wie damals von Schrödinger angenommen, aus der Interferenz von positiven und negativen Energiezuständen des Elektrons. Denn ließen sie nur einen der beiden zu, blieb der Effekt aus.

Auch in den beiden Grenzfällen, in denen das simulierte Elektron entweder hoch relativistisch oder aber nicht relativistisch ist, nimmt die Zitterbewegung ab – wie von der Theorie vorhergesagt. Damit zeigen die Forscher einmal mehr, dass sich diese Experimente eignen, um Einblicke in sonst unzugängliche Quantenphänomene zu erhaschen. Ihre Arbeit sehen sie dabei als ersten Schritt zu komplexeren Simulationen.

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  • Quellen
[1]  Friedenauer, A. et al.: Simulating a quantum magnet with trapped ions. In: Nature Physics 4, S. 757–761, 2008.
[2] Gerritsma, R. et al.: Quantum simulation of the Dirac equation. In: Nature 10.1038/nature08688, 2009.

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