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Jahr der Mathematik: Mathe ist überall!

Vergessen Sie all Ihre Vorurteile: Mathematik ist anschaulich, spannend und hilft uns mit praxisnahen Anwendungen, den Alltag zu meistern. Ein Besuch auf der MS Wissenschaft dürfte auch den letzten Zweifler überzeugen.
Möbiusband
Seit nunmehr sieben Jahren schippert die MS Wissenschaft jeden Sommer quer durch Deutschland – diesmal ist sie jedoch erstmals selbst Exponat: Ein intelligentes Navigationssystem hilft dem Kapitän, auch bei Nacht und Nebel Kurs zu halten und den zum Ausstellungsschiff umfunktionierten Frachter sicher durch die deutschen Flüsse zu steuern. Möglich macht's die Mathematik, die anlässlich des Wissenschaftsjahres 2008 im Mittelpunkt der Schau steht.

MS Wissenschaft vor der Heidelberger Altstadt | Im Jahr der Mathematik ist die MS Wissenschaft – hier bei ihrem Zwischenstopp in Heidelberg Ende Mai – als Matheschiff unterwegs und tourt noch bis Anfang September durch Deutschland. Dieses Wochenende ist sie zu Gast in Wiesbaden.
Und da gibt es tatsächlich jede Menge zu entdecken: Mehr als dreißig Ausstellungsstücke aus den Bereichen Natur, Technik, Mensch und Geist hat die MS Wissenschaft mit an Bord – alle laden zum Knobeln und gemeinsamen Ausprobieren ein. Wen etwa schon immer M.C. Eschers symmetrischen Werke fasziniert haben, kann hier am Computer Schritt für Schritt lernen, selbst solche große Flächen füllende Muster zu erzeugen – etwa um einem in solches Papier eingewickelten Geschenk eine besondere Note zu verleihen.

Mitspielen erwünscht

Auch der Spieltrieb kommt nicht zu kurz: So präsentieren Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration eine elektronische Variante des Brettspiels Scrabble, bei dem die Spieler aus zufällig gezogenen Buchstaben Wörter legen und dabei verschiedene Bonusfelder berücksichtigen müssen. Dank einer drahtlosen Vernetzung aller Spielelemente erkennt das System die Werte der einzelnen Steine. Automatisch spielt es alle möglichen Buchstabenkombinationen durch und vergleicht diese mit einem integrierten Wörterbuch, um anschließend alle möglichen Lösungswörter samt Punktzahl zu berechnen.

Die ganze Welt der Mathematik | Im Bauch der MS Wissenschaft zeugen mehr als 30 Exponente aus den Bereichen Natur, Technik, Mensch und Geist von der Vielfalt der Mathematik.
Anders als bei der klassischen Variante wissen die Spieler beim "eScrabble" durch eine eigene Anzeige deshalb schon vor ihrem Zug, wie viele Punkte sie maximal erreichen können – was Jung und Alt am vergangenen Wochenende beim Zwischenstopp der MS Wissenschaft in Heidelberg bereits zu geistigen Höchstleistungen anspornte. Nach dem Zug konnten sie ihre eigene Kombination mit der optimalen Lösung vergleichen. Neben der Schönheit solcher Spielereien soll die Ausstellung allerdings vor allem einen Überblick über all jene Anwendungen geben, für die Mathematik zwar unverzichtbar ist, meist allerdings verborgen bleibt. Bestes Beispiel sind die ausgefeilten Verschlüsselungstechniken, die heute das Einkaufen im Internet ebenso sicher machen wie das Online-Banking. Diese Methode macht sich ein Phänomen der Primzahlen, die sich nicht als Produkt zweier natürlicher Zahlen außer Eins darstellen lassen, zu Nutze.

Geheimnisse bewahren

Tsunami-Frühwarnsystem | Auf der MS Wissenschaft erfahren die Besucher mehr über die Entstehung eines Tsunamis. Deutsche Forscher am Geo-Forschungs-Zentrum Potsdam (GFZ) entwickeln derzeit ein Frühwarsystem, das die Bevökerung rechtzeitig warnen soll
Am Computer können die Besucher das Verfahren spielend leicht nachvollziehen und lernen dabei sogar, eigene Botschaften zu verschlüsseln. Das Prinzip ist denkbar einfach: Jeder weiß, dass 15 keine Primzahl ist, weil 15 = 3 x 5. Mit ein wenig Überlegung würden wir auch entdecken, dass 247 = 13 x 19. Richtig schwierig wird es aber schon bei 1219 = 23 x 53. Und müssten wir die Zahl 1 308 119 prüfen, wären wir wohl schon auf die Hilfe unseres Taschenrechners angewiesen, um schließlich herauszufinden, dass 1 308 119 = 661 x 1979 und damit keine Primzahl ist.

Dieses Beispiel veranschaulicht eine interessante Kluft zwischen theoretischem und praktischem Wissen. Selbst wenn bekannt wäre, dass sich eine große Zahl als Produkt zweier kleinerer darstellen ließe, könnten diese Faktoren auch von den flottesten Computern der Welt nicht bestimmt werden.

Die Public-Key-Kryptograpie nutzt dieses Phänomen, indem es Nachrichten derart verschlüsselt, dass sie allein über die Zerlegung natürlicher Zahlen in Primzahlen wieder dechiffriert werden können. Gelänge es einem kreativen Mathematiker jedoch eines Tages, eine einfache Methode zur Faktorzerlegung zu finden, wäre der Code geknackt – und manches Geheimnis gelüftet.

Routen suchen

eScrabble | Beim eScrabble zeigt der Computer die maximal zu erzielende Punktzahl an und liefert nach jedem Zug die optimale Lösung.
Weitere ungeahnte Anwendungen finden sich zuhauf: Auf welcher Route lassen sich etwa möglichst viele Pannenopfer in möglichst kurzer Zeit erreichen? Wie erstellt man einen Fahrplan, der es möglichst vielen Leuten recht macht und obendrein günstig ist? Wie viele Teile lassen sich möglichst Platz und Kosten sparend in einer Kiste unterbringen? Dabei können die Besucher stets selbst Hand anlegen, wie bei der Packstation, und somit eine Vorstellung über die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Mathematik gewinnen. Sollte es dabei einmal haken, hilft das kundige Ausstellungspersonal – die an Bord Lotsen genannt werden – auf die Sprünge.

Insgesamt beweist die abwechslungsreiche Ausstellung erstaunlich viel Tiefgang – ohne die Besucher dabei zu überfordern. Im Gegenteil: Das Matheschiff macht Geschmack auf mehr. Und am Ende dürften sogar all jene mit der Mathematik versöhnt sein, "die in der Schule schon immer schlecht in Mathe waren".

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