Direkt zum Inhalt

Geologie: Mehr als alte Klunker?

Wann begann das Leben auf der Erde? Vor 3 Milliarden Jahren, vor 3,5 oder 3,9? Uralte Edelsteine aus Australien werfen nun eine neue Zahl in die Diskussion - doch Zweifel sind angebracht.
Diamant in Zirkon
Ein Juwelier würde mit ihnen sicherlich nicht glücklich werden – den Diamanten, die Alexander Nemchin von der Curtin University of Technology im australischen Bentley und seine Kollegen vor Kurzem geschürft haben: Die edlen Kristalle sind winzig klein und mit Sicherheit nicht für die Schmuckherstellung geeignet. Geowissenschaftler schätzen ihren Wert dagegen umso höher, denn sie ermöglichen einen langen Blick zurück in die Erdgeschichte.

Winzigster Diamant | An ihnen hätte Marylin Monroe kaum Freude gehabt, für die Wissenschaft sind sie aber Gold wert: Uralte, winzigste Diamanten aus einem Zirkon-Mineral – dem ältesten Zeugnis der Erdgeschichte.
Mit einem nachgewiesenen Alter von bis zu 4,25 Milliarden Jahren gehören die Diamanten aus den Jack Hills in Westaustralien zu den ältesten bekannten Fundstücken aus dem so genannten Hadaikum – einem der ersten Erdzeitalter, in dem sich die Erde langsam abzukühlen begann. Gleichzeitig sonderten sich die einzelnen Erdschalen wie Kruste und Mantel voneinander ab, die heute den Aufbau des Planeten bestimmen. Und immer noch bombardierten zahllose Meteoriten die junge Erde, deren schützende Atmosphäre ebenfalls erst im Aufbau war.

Unwirtliche Bedingungen also. Und dennoch: Könnte trotz aller Widrigkeiten damals schon Leben hier existiert haben? Zumindest so etwas wie dichte Bakterien- oder Algenrasen? Genauere Analysen der Diamanten- sowie von Graphiteinschlüssen in Zirkonmineralen aus der damaligen Zeit schließen diese Möglichkeit nicht aus, meint nun Nemchins Team. Graphit und Diamanten unterscheiden sich vornehmlich in ihrer Gitterstruktur, aus der sich ihre weiteren physikalischen Eigenschaften ableiten. Und beide bestehen aus reinem Kohlenstoff, was die Frage nach ihrer Herkunft aufwirft – schließlich legt ihr Vorkommen das Vorhandensein früher Kohlenstoffreservoirs nahe und beweist, dass damals schon entsprechend hoher Druck in Teilen der Erde geherrscht haben muss, um Diamanten zu bilden.

Diamant in Zirkon | Winkelförmiger Diamanteneinschluss in einem Zirkon
Mit einem Spektrometer durchleuchteten die Forscher daher 22 Diamant- und Graphiteinschlüsse aus ihrem Forschungsgebiet, um deren Gehalt an bestimmten Kohlenstoffisotopen zu ermitteln. Isotope wie Kohlenstoff-13 liefern zumindest erste Erklärungsansätze für die grundlegende Chemie und geologischen Prozesse der Erdkindheit. Verglichen mit typischen Mantelgesteinen aus der Tiefe, in der Diamanten geformt werden, wiesen die Diamanten und Graphite zum Beispiel deutlich weniger C-13 auf. Ihr um durchschnittlich 31 Promille verringerter C-13-Gehalt ähnelt eher manchen Diamantentypen, die aus biologischen Ablagerungen gepresst wurden, welche durch Subduktion in die tiefliegenden Druckkammern gelangten – zumindest gelten vielen Geologen derart hohe negative Abweichungen als Zeugnis von ehemaligem Leben, das zwischenzeitlich als Kohleflöz endete.

Da die untersuchten Einschlüsse mindestens so alt sind wie das Zirkon, das sie umgibt, glauben Nemchin und seine Mitstreiter deshalb, dass sie das älteste bekannte Kohlenstoffreservoir der Erde gefunden haben. Aber basierte es tatsächlich auf lebenden Organismen? Das käme einer Sensation gleich, denn es würde die Altersgrenze für Leben auf der Erde um mehr als 300 Millionen Jahre nach hinten verlegen – momentan liegt sie bei 3,9 Milliarden Jahren und leitet sich ab von so genannten Stromatolithen, die Cyanobakterien vor Urzeiten hinterließen.

Diamant in Zirkon | Nadelförmiger Diamant in Zirkon
Die australischen Geologen sind daher vorsichtig, denn außer dem abgereicherten Kohlenstoffreservoir spricht nicht viel für die These vom ganz alten biologischen Reichtum. Gesteine aus dem Hadaikum lassen im Gegensatz zu etwas späteren Epochen weitere Spuren von Leben vermissen. Laborexperimente deuten dagegen an, dass auch anorganische chemische Reaktionen mit Kohlendioxid, Methan, Wasserstoff und Wasser die C-13-Anomalien verursacht haben könnten. Die erforderlichen Bestandteile waberten damals in ausreichenden Mengen durch die initiale Erdatmosphäre oder wurden durch Vulkanismus ausgegast. Anschließend reicherten sich die entstandenen kohlenstoffreichen Produkte in der vorerst statischen Erdkruste an, wurden nach einiger Zeit durch die einsetzende Plattentektonik in die Tiefe verfrachtet und dort zu Diamanten und Graphit gewandelt.

Ob dem aber wirklich so war, ob nicht vielleicht doch schon so früh Leben die Erde besiedelte oder der Kohlenstoff gar aus einer extraterrestrischen Quelle wie intraplanetarem Staub oder präsolaren Körnern aus dem All stammt, verliert sich noch im Dunkel der Erdfrühgeschichte. Antworten versprechen sich die Forscher auch aus weiteren Forschungen an den Diamanten. Die mit Alter geedelten Steine dürften zumindest an Forschungswert weiter zulegen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen
Nemchin, A. et al.: A light carbon reservoir recorded in zircon-hosted diamond from the Jack Hills. In: Nature 454, S. 92–96, 2008.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.