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Ressourcennutzung: Menschen wandern berechenbar

Menschen sind ziemlich vorhersehbar - ein einfaches mathematisches Modell funktioniert nicht nur bei Meerschweinchen, sondern auch bei uns.
Blick auf eine Siedlung der Orang Asil, einer Volksgruppe in Malaysia, zu der auch die nicht sesshaften Batek gehören.

Meisen tun es, Meerschweinchen tun es und sogar Pflanzen – sie ziehen weiter, wenn eine lokale Ressource langsam ausgeht. Doch halten sich auch Menschen an das sehr einfache Grenzertragstheorem, das dieses Verhalten beschreibt? Tatsächlich scheint das der Fall zu sein, berichtet eine Arbeitsgruppe um Vivek Venkataraman von der Harvard University. Sie hat Beobachtungsdaten aus Malaysia analysiert, die in den Jahren 1975 und 1976 in Zusammenarbeit mit dem bis heute nur teilweise sesshaften Volk der Batek gewonnen wurden. Die Forscher interpretieren ihre Daten dahingehend, dass das Grenzertragstheorem tatsächlich zum Teil beschreibt, wann und wie häufig die Batek ihre Lagerplätze wechselten.

Batek mit erlegtem Gibbon

Die Studie von Venkataraman und seiner Gruppe befasst sich mit dem Problem ungleichmäßig verteilter Ressourcen und ihrer möglichst effektiven Nutzung. Das Grenzertragstheorem besagt auf mathematischer Basis, dass ein Lebewesen den Futterplatz wechseln sollte, sobald dessen Ertrag unter jenen Wert sinkt, den das Ökosystem im Durchschnitt bietet – Reisezeiten eingerechnet. Das ist bei Menschen schwer zu messen. Die Batek sammeln vor allem Pflanzenwurzeln als Nahrung, jagen Tiere und sammeln Rattan – eine Schlingpflanze für technische Anwendungen, die sie bei sesshaften Nachbarn gegen Lebensmittel eintauschen. Etwa alle ein bis vier Wochen wechseln sie den Lagerplatz.

Um diese Platzwechsel mit verfügbaren Ressourcen in Zusammenhang zu bringen, müssen die gesammelten Mengen aller Güter ebenso sauber aufgezeichnet werden wie die Reisezeiten zum nächsten Lagerplatz. Das Team verwendete auch deshalb 40 Jahre alte Daten, weil auswertbare ethnografische Datensätze über Ressourcennutzung und Reisezeiten ziemlich selten sind. In den 1970er Jahren sammelten die Anthropologen Karen und Kirk Endicott in Malaysia über einen Zeitraum von neun Monaten geeignete Zahlen für die Untersuchung. Venkataraman und seine Gruppe nutzten nun mathematische Methoden, um aus der Sammelausbeute an jedem Lagerplatz jene Ressource zu identifizieren, die während der Zeit am Lagerplatz ausging.

Dass dieser simple Zusammenhang auch bei Menschen zutrifft, ist keineswegs klar. Wirtschaft und das Sozialsystem der Batek und ähnlicher Völker sind sehr komplex. Entsprechend vielfältig sind die Erwägungen beim Lagerplatzwechsel – die Forscher berichten von widerstreitenden ökonomischen Interessen und unterschiedlichen Einschätzungen, die in der egalitären Gesellschaft meist im Konsens gelöst werden. Dennoch scheinen sich die Batek im Untersuchungszeitraum tatsächlich in etwa gemäß dem Grenzertragsmodell verhalten zu haben, wenn eine der Ressourcen in einem ihrer Lager zur Neige ging. Möglicherweise seien gerade die ausufernden Diskussionen in der egalitären Gruppe ein selbstregulierender Prozess, der effizientes Verhalten sicherstelle, spekulieren die Forscher.

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