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Zellbiologie: Micro-RNAs bremsen Produktion und beschleunigen Verschrottung

miRNA-Profil

MicroRNAs sind kurze, regulatorische RNA-Schnipsel, die den Bau von einzelnen Proteinen in der Zelle sehr gezielt verhindern. Wie sie das machen, wird seit Jahren untersucht, ohne dass eine einfache Antwort gefunden ist: Stoppt ein RNA-Schnipsel einfach im entscheidenden Augenblick die Proteinfabriken? Oder leitet er schon bevor dies nötig wäre die Zerstörung der Boten-RNA-Bauanleitung des Proteins ein? Beides ein wenig, meinen nun Rachel Green und ihre Kollegen vom Howard Hughes Medical Institute in Baltimore.

Ihre Antwort leiten die Forscher aus Versuchen mit Taufliegenzellkulturen ab, in denen sie die Wirkung einzelner miRNAs im Detail untersuchen und die exakte zeitlichen Abfolge der Ereignisse nachvollziehen konnten. Dabei bestätigte sich zunächst der im Grunde schon bekannte Mechanismus: die miRNA – höchstens 22 Bausteine kurze Nukleotidketten – binden an kurze, basenkomplementäre Abschnitte am 3'-Ende der gehemmten mRNA. In der Folge binden verschiedene Enzyme an das entstehende Konstrukt; es bildet sich microRNA-induzierter silencing complex (miRISC), dessen integrierte Enzyme die miRNA und mRNA zerstören und den Bau der kodierten Proteine verhindern.

Auffällig war jedoch, dass die Zerstörung der mRNA immer ein wenig Zeit in Anspruch nahm – Zeit, in der die Boten-RNA durchaus noch von der Proteinfabrik der Zellen hätte abgelesen werden können. Trotzdem stockt die Translation, also der Produktionsprozess, bereits in den ersten Schritten, wie die Reaktionskinetikbeobachtungen zeigten. Das liegt aber nicht etwa daran, dass die zuständigen Ribosomen nicht an die Boten-RNA binden können (etwa weil die dazu notwendigen Strukturen der mRNA, zum Beispiel der Poly-A-Schwanz, unter dem Einfluss der miRNA dysfunktional würden). Vielmehr binden die mRNA-miRNA-Konstrukte noch an die Proteinfabrikationsmaschine der Ribosomen; dort allerdings stockt der Prozess dann – in der Phase der Elongation oder etwas früher, den späten Schritten der Initiation der Translation. Jedenfalls aber beginnt immer erst noch etwas später die allmähliche gezielte Zerstörung der verhinderten Proteinmatrizen: Die mit den miRNA markierte Boten-RNAs werden dann mit Abbaumarkern als Müll markiert und schließlich zerlegt.

Die Forscher hoffen mit ihren Detailerkenntnissen über den Zeitablauf der miRNA-Wirkung etwas Licht in die sehr komplizierten Zusammenhänge zu bringen. Frühere Untersuchungen hatten scheinbar widersprüchliche oder womöglich zu sehr vereinfachte Resultate erbracht. Die genaue Kenntnis der Vorgänge ist für die Forscher sehr wichtig: MicroRNAs, die zahlreiche Vorgänge in Zellen regulieren, gelten als medizinische Hoffnungsträger für neuartige Therapien oder Diagnosemöglichkeiten. Sie sind in der Praxis aber noch zu wenig berechenbar, auch wenn mit ihnen schon erste Erfolge erzielt worden sind.

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  • Quellen
Science 336, S. 237–240, 2012

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