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COP 17: Minimalergebnis für das Klima

Der Klimagipfel von Durban ist beendet und hat wieder einmal wenig erreicht. Klimaschützer müssen ihre Hoffnungen auf andere Entwicklungen konzentrieren.
Daniel Lingenhöhl

Ein rekordverdächtiger Gipfel ist in der Nacht zum Sonntag in Durban zu Ende gegangen – rekordverdächtig allerdings nur in der Länge. Denn was konkrete Ziele und Vorgaben anbelangt, lässt sich COP 17 – die 17. "Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention" – bestenfalls als Minimalkompromiss einordnen: Am Ende des mehr als 13-tägigen Verhandlungsmarathons steht nur wenig Konkretes, um die Erderwärmung zu bremsen. Stattdessen haben die 193 teilnehmenden Staaten vor allem beschlossen, dass sie erneut vertagen, um ab dem nächsten Jahr bis 2015 ein Abkommen zu diskutieren, welches schließlich 2020 in Kraft treten sollte.

Damit scheiterten die Delegierten in Südafrika daran, einen Nachfolger für das Kioto-Protokoll auszuhandeln – das einzige Vertragswerk zum Klimaschutz, welches bislang weltweit vereinbart worden war, jedoch im Jahr 2012 ausläuft. Als Kompromiss wurde eine zweite Verpflichtungsphase ausgehandelt, die das Kioto-Protokoll faktisch bis 2017 oder 2020 verlängert – wie lange genau, soll COP 18 in Katar klären. Mittlerweile fallen allerdings nur noch rund 15 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen unter diese Vereinbarung, denn Kanada, Japan, Russland und Neuseeland haben bereits erklärt, dass sie sich daran nicht mehr gebunden fühlen.

Damit bleiben neben den Staaten der Europäischen Union nur noch Australien, die Schweiz, Norwegen und einige andere kleine Länder übrig, die den Klimaschutz politisch ernst nehmen. Zudem erfüllten nur Deutschland, Belgien und Großbritannien ihre Reduktionsverpflichtungen, die meisten anderen Staaten kümmerten sich wenig bis gar nicht um die vorgegebenen Ziele. Die USA hatten das Abkommen nicht ratifiziert, aufstrebende Treibhausgasgiganten wie Indien oder China durften ohnehin ihre Emissionen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung steigern. Das Kioto-Protokoll war also schon vor Durban faktisch tot. Und bis 2020 bleiben 85 Prozent aller Emissionen keinerlei Kontrolle unterworfen – Tendenz steigend, denn vor allem in China und Indien steigt der Treibhausgasausstoß überproportional an.

Klimaschutzregeln sollen auch für Schwellenländer gelten

COP 17 sollte diesbezüglich einen Durchbruch bewirken und neben den klassischen Industriestaaten auch die rasch wachsenden Volkswirtschaften der Schwellenländer zum Klimaschutz verpflichten. Dies nahm die Weltgemeinschaft immerhin in ihren "Fahrplan" zu einem neuen Abkommen auf: Bis spätestens 2015 soll das Vertragswerk ausgehandelt werden, das dann auch die Klimaschutzziele von Staaten wie den USA, China, Indien oder Brasilien erfassen und ab 2020 in Kraft treten soll. In diesem Punkt setzten sich die Vertreter der EU in Koalition mit der "Allianz kleiner Inselstaaten" und der Fraktion der am schwächsten entwickelten Länder durch: Nur mit einem breit angelegten Vertragswerk, das alle Emissionen und Emittenten umfasse, könne es gelingen, den zukünftigen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu beschränken – was allgemein als maximal noch erträgliche Zunahme angesehen wird.

Der Teufel steckt hier wieder einmal im Detail. Denn es wurde erbittert um die Formulierung gestritten, ob es sich dabei um ein neues Protokoll, ein "Rechtsinstrument" oder ein "rechtliches Ergebnis" handeln soll. Letzteres hätte keinerlei völkerrechtliche Bindungskraft und würde weiterhin jene fatale Freiwilligkeit bedeuten, die es heute schon Japan oder den USA ermöglicht, ihre Klimaschutzmaßnahmen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Bei Umweltschützern, aber auch bei Vertretern der Europäischen Union läuteten deshalb alle Alarmglocken, als China, Indien und wieder einmal die Vereinigten Staaten versuchten, den Verbindlichkeitscharakter eines neuen Abkommens zu verwässern. Auf Vorschlag Brasiliens gelang es wenigstens, "eine für alle gültige Regelung mit Rechtskraft" festzuschreiben. Völkerrechtlich wird damit ein neuer Weg beschritten, denn bislang existiert ein derartiges Konstrukt noch nicht, weswegen es von einigen Delegierten denn auch als zu schwaches Instrument betrachtet wird.

Wenig Zählbares bei Finanzierung und Waldschutz

Allgemein anerkannt wurde, dass die entwickelten Industriestaaten mehr für den Klimaschutz tun müssten, da ein Großteil der für die Erderwärmung relevanten Emissionen der Vergangenheit auf ihr Konto geht. Viele Entwicklungsländer stimmten allerdings auch zu, dass ein effektiver Klimaschutz ohne China und Co nicht mehr zu erreichen sei – auch sie müssten ihren Treibhausgasausstoß dementsprechend verringern. Um ihnen den Aufbau einer "sauberen" Ökonomie zu erleichtern, sollen ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar über den Green Climate Fund (GCF) den Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt werden. Woher dieses Geld kommen soll, ist allerdings noch völlig ungeklärt: Weltweite Abgaben zum Beispiel aus dem Schiffs- und Flugverkehr werden es nicht sein, denn dieser Punkt wurde aus dem Papier gestrichen. Die Delegierten einigten sich bislang nur auf einen Startbetrag von 30 Milliarden Dollar, den die Industriestaaten zur Verfügung stellen. Umweltschützer monierten, dass auch Privatunternehmen Zugriff auf diesen Fonds bekommen sollen.

Wenig Zählbares kam auch beim Waldschutz heraus: REDD (Reduzierung von Emissionen durch Entwaldung) soll gewährleisten, dass die großen Urwälder der Erde bewahrt werden, weil sie zum einen große Kohlenstoffsenken darstellen und ihre Rodung zum anderen massiv Treibhausgase freisetzt. Länder wie Brasilien, Indonesien oder der Kongo sollen deshalb dafür entschädigt werden, wenn sie auf die Umwandlung ihrer Regenwälder in – vermeintlich lukrativere – Plantagen oder Viehweiden verzichten. Die entsprechenden Ausgleichszahlungen dafür kämen von den Industriestaaten oder Privatunternehmen. Die Zerstörung ursprünglicher Wälder verursacht etwa ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen.

Kleinere technische Fragen zur Umsetzung von REDD wurden gelöst, doch offen blieb wieder einmal dessen Finanzierung. Der GCF sieht hierfür keine Mittel vor, dafür könnte das Geld vermehrt aus der Industrie und von Kraftwerksbetreibern kommen. Statt ihren CO2-Ausstoß technisch zu verringern, könnten sie den billigeren Weg gehen und Waldschutz finanzieren – eine Hintertür, die Klimaschützer eigentlich verschließen wollen: Sie fürchten, dass die Menge an Treibhausgasen weniger stark sinkt als nötig und erhofft. Immerhin müssen im Rahmen von REDD der Schutz der Artenvielfalt und die Einhaltung der Rechte der lokalen und indigenen Bevölkerung gewährleistet werden. Es darf also nicht sein, dass Regierungen erst ihre Urwälder abholzen und sich dann darauf entstehende Plantagen als Klimaschutzmaßnahme finanzieren lassen.

Schlechte Nachrichten für Klimaforscher

Einen Rückschlag gab es schließlich noch für die Klimaforschung: Ob Klimaschutzziele erhöht werden oder nicht, basiert zukünftig nicht mehr auf den Berichten des IPCC – des "Weltklimarats" der Vereinten Nationen –, in dem Wissenschaftler den Kenntnisstand zur Erderwärmung zusammenfassen. Zukünftig sollen die Vertragsstaaten nur noch von der Forschung "informiert" werden. Der Einfluss von Lobbyisten zum Beispiel aus der Energiebranche dürfte also weiter wachsen. Immerhin wurde die Abscheidung und Einlagerung von Kohlendioxid, auch bekannt als CCS (Carbon Capture and Storage), als relevante Klimaschutzmaßnahme anerkannt.

Insgesamt fallen die Resultate von Durban also sehr dürftig aus: Dem Klimaschutz nützen die erzielten Minimalkompromisse wenig. Und viel hängt davon ab, ob es den europäischen Staaten gemeinsam mit ihren wenigen Verbündeten gelingen wird, ihre ambitionierten Ziele aus dem Kioto-Protokoll zu erfüllen und ihre Wirtschaft klimafreundlich bei gleichzeitiger Wahrung des Wohlstands umzubauen. Die Chancen dafür stehen allerdings nicht schlecht, wie das Beispiel Deutschland zeigt: Alternative Energieträger gewinnen allen Schwierigkeiten zum Trotz zunehmend Marktanteile, Hightech-Produzenten von hocheffizienten Gasturbinen, Wind- und Solarkraft- oder geothermischen Anlagen gehören zur Weltspitze.

Und auch aus China, das bald nicht nur beim nationalen Gesamtausstoß von Kohlendioxid ganz vorne liegt, sondern auch bei den Pro-Kopf-Mengen zu den Industrieländern aufschließen wird, mehren sich die Zeichen für einen Wandel: Das aufstrebende Reich der Mitte investiert mehr als alle anderen Staaten in erneuerbare Energien. Man sollte also vielleicht besser auf die Kraft dieser Entwicklung setzen, als irgendwann auf einen breiten Klimaschutzvertrag zu hoffen.

Lesen Sie zum Thema auch einen Kommentar von Lars Fischer.

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