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Neurochemie: Moleküle der Anspannung

Neurosteroide wirken bei der Stressreaktion des Körpers mit.
Nervenzelle

Komplexe biologische Mechanismen bestimmen die Reaktionen des Körpers auf Stress. Jamie Maguire und ihre Kollegen von der Tufts University in Boston (US-Bundesstaat Massachusetts) entdeckten dabei eine neue Rolle von so genannten Neurosteroiden: Indem sie neuronale Rezeptoren aktivieren, setzen sie eine Kaskade biochemischer Prozesse in Gang, die in Stressverhalten münden.

Bis jetzt waren Neurosteroide für ihre beruhigende Wirkung bekannt. Als die Forscher Mäusen das vermeintliche Sedativum Tetrahydro-Desoxycorticosteron verabreichten, sank erwartungsgemäß die Konzentration des Stresshormons Corticosteron im Blut ab. Doch nachdem die Tiere durch eine halbstündige Gefangenschaft gestresst wurden, stieg ihr Hormonspiegel deutlich stärker an als bei unbehandelten Nagern. Offensichtlich verstärkte nun das Neurosteroid die Stressantwort.

Anschließend blockierten die Wissenschaftler medikamentös die Produktion von Neurosteroiden im Körper der Mäuse. Nun unterblieb sowohl der Corticosteron-Anstieg als auch das ängstliche Verhalten gestresster Tiere: Die befreiten Mäuse zeigten sich sogar entdeckungsfreudiger als unbehandelte Artgenossen, die zuvor nicht gefangen gewesen waren.

Den Rollenwechsel der Neurosteroide führen die Wissenschaftler auf neue chemische Bedingungen innerhalb der Neurone zurück: Normalerweise sorgt ein Gradient an Chloridionen dafür, dass Neurosteroide die Stressrezeptoren hemmen. Infolge von Stress wird aber der Transport von Chloridionen aus dem Zellinneren unterbunden – der Gradient kann also nicht mehr aufrecht erhalten werden. Unter diesen Umständen lassen sich nun die Rezeptoren durch Neurosteroide freischalten.

Wie die Forscher hoffen, lassen sich ihre Erkenntnisse auch therapeutisch nutzen. Denn nicht nur bei Depression, sondern auch bei zahlreichen weiteren Krankheiten wie Epilepsie, Osteoporose oder das durch einen Überschuss an Cortisol ausgelöste Cushing-Syndrom ist der Stress-Signalweg beteiligt.

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  • Quellen
J. Neurosci. 31, S. 18198–18210, 2011

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