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News: Musik, die in das Hirn geht

Musik kann uns zu Tränen rühren oder vor Freude tanzen lassen, und sie wirkt entspannend oder aufregend. Doch über diese kurzzeitigen Effekte hinaus steigert das langjährige Erlernen eines Musikinstrumentes bestimmte intellektuelle Fähigkeiten - und verändert sogar die Größe einiger Gehirnzentren.
"Früh übt sich, was ein Meister werden will", denken manche Eltern und schicken Ihre Kinder zu Klavier-, Geigen- oder anderem Musikunterricht. Wenn die Kleinen Spaß daran haben oder die Erwachsenen hinreichend lange ihren Willen durchsetzen können, entwickelt dieses Training erstaunlicherweise auch die verbalen Fähigkeiten der Kinder. Agnes Chan und ihre Kollegen von der Chinese University of Hong Kong verglichen das Wortgedächtnis von Erwachsenen, die vor ihrem zwölften Lebensjahr mindestens sechs Jahre Musikunterricht bekommen hatten, mit der entsprechenden Fähigkeit von Testpersonen, die nicht musikalisch unterwiesen wurden (Nature vom 12. November 1998).

Es stellte sich heraus, daß die musikalisch trainierten Versuchsteilnehmer signifikant mehr Wörter lernen konnten als die anderen Erwachsenen. Das visuelle Gedächtnis war dagegen bei beiden Gruppen gleich gut entwickelt. In den Experimenten zeigten sich keine Unterschiede, wenn es darum ging, sich an Bilder zu erinnern oder sie aus dem Kopf zu zeichnen.

Die Arbeit wurde durch Ergebnisse aus der bildgebenden Hirnforschung inspiriert. Nach diesen ist das linke Planum Temporale bei Musikern größer als bei Nicht-Musikern. Zu den Aufgabengebieten dieser Region zählt auch das verbale Gedächtnis. Der rechte Temporallappen, dem das visuelle Gedächtnis unterliegt, ist dagegen bei beiden Personengruppen gleich groß.

Bisher ist allerdings noch unklar, ob dieser Unterschied darauf zurückzuführen ist, daß Musiker gesprochene Wörter besser aufnehmen, ihren Klang oder deren Bedeutung verarbeiten oder sie besser reproduzieren können. Außerdem wissen die Wissenschaftler nicht, ob die Vergrößerung der linken Hirnregion eine Folge der musikalischen Übung ist oder vielleicht eher eine Voraussetzung, um sich anhaltend mit Musik zu beschäftigen.

Noch eine weitere Hirnstruktur ist bei Musikern voluminöser. Gottfried Schlaug vom Beth Israel Deaconess Medical Center stellte auf dem Jahrestreffen 1998 der Society for Neuroscience seine Messungen an 90 Personen vor. Danach ist das Kleinhirn von Musikern um fünf Prozent größer als bei Nicht-Musikern. Der Forscher führt dies auf jahrelanges Üben präziser Fingerbewegungen zurück, die in der Kindheit ein vermehrtes Nervenwachstum stumilieren könnten. Das Kleinhirn kontrolliert bei Wirbeltieren nämlich das Gleichgewicht und die Muskelbewegungen.

Lawrence Parson und Peter Fox vom Health Science Center der University of Texas in San Antonio präsentierten auf demselben Kongreß ihre Daten zu der Aktivität des Kleinhirns bei Dirigenten. Wenn sie den Probanden einen Choral von Bach vorspielten, half das Kleinhirn anscheinend, die Musik zu interpretieren. Als die Forscher den Rhythmus veränderten, so daß er nicht mehr mit den Noten übereinstimmte, nahm die Durchblutung des Kleinhirns zu, obwohl die Dirigenten keinen Muskel bewegten. Anscheinend reagierte ein noch unbekannter Sensor für nichtmotorische Funktionen. – Vielleicht brannte es den Dirigenten aber auch nur unter den Fingernägel, in das Geschehen einzugreifen und die Musik von Bach zu retten.

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