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Polarexpeditionen: Musste Robert Scott wegen Missgunst sterben?

Obwohl Robert Scott nicht als Erster zum Südpol gelangte, wurde seine Expedition weltberühmt. Das zweifelhafte Verhalten eines Kameraden brachte ihm vielleicht den Tod.
Gescheiterte Helden

Der Anblick muss für ihn schrecklich gewesen sein: Am 18. Januar 1912 erreicht Robert Scott mit seinen vier Begleitern den Südpol – nur um feststellen zu müssen, dass dort schon die norwegische Fahne im Wind flatterte. Roald Amundsens Expedition war bereits am 14. Dezember 1911 dort angelangt und der Norweger damit der erste Mensch am Südpol. Zur richtigen Tragödie wurde Scotts Vorstoß allerdings auf dem Rückweg, der für die Männer tödlich endet. Erst stirbt Edgar Evans, später verlässt Lawrence Oates das Zelt der Truppe und geht in den Tod, und schließlich verscheiden Scott, Edward Wilson und Henry Bowers 20 Kilometer vor einem vielleicht rettenden Depot. Seit damals beschäftigen sich viele Historiker mit den Hintergründen und Fehlern, die zum Scheitern der Unternehmung geführt haben könnten. Chris Turney von der University of New South Wales fügt diesen Geschichten in "Polar Record" eine weitere Variante hinzu.

Eine bislang unterschätzte und nicht hinterfragte Rolle habe seiner Meinung nach der Leutnant und stellvertretende Kommandeur Edward Evans gehabt, so Turney. Scott hatte ihn noch vor dem Ziel zurückgeschickt, damit dieser sich um die Logistik für die Rückkehr vom Pol kümmern könne. Laut dem Wissenschaftler hielt sich Evans jedoch nicht richtig an die Befehle und versorgte sich selbst mit mehr Nahrungsmitteln aus den Depots, als ihm eigentlich zugestanden hätten – letztlich überlebte der Offizier auch. Wie Turney der Wissenschaftsseite "I fucking love science" mitteilte, weckten verschiedene Notizen in den Archiven der Royal Geographical Society (RGS) sein Interesse an dieser Theorie. Dafür kontaktierte er auch noch lebende Familienmitglieder der damaligen Teilnehmer und bat um Dokumente, die andere Historiker bislang nicht kannten oder nicht beachteten.

Der damalige Präsident der RGS, Lord Curzon, hatte sich mit den Witwen von Scott und Wilson getroffen und über das Ableben ihrer Männer gesprochen. Curzon schrieb danach, dass Oriana Wilson zugestimmt hätte, nicht über bestimmte Dinge zu sprechen, die sie in den Tagebüchern ihres Mannes gelesen hatte (diese wurden mit den sterblichen Überresten der Männer aus dem letzten Lager geborgen). Das weckte Turneys Interesse, der über sechs Jahre hinweg weitere Indizien zusammentrug. Manche Teile von Scotts Expeditionsgeschichte seien von Evans manipuliert worden, so der Polarforscher. Evans habe beispielsweise früher vorgegeben, an Skorbut zu leiden, als dies tatsächlich der Fall war. Damit habe er begründet, warum es gerechtfertigt war, dass er sich mehr Nahrung aus den Depots nahm, als er eigentlich gedurft hätte.

Zudem hatte Scott seinen vermeintlichen Kameraden Edward Evans (nicht zu verwechseln mit dem unglücklichen Edgar Evans!) mit dem ausdrücklichen Auftrag zurückgeschickt, ein Hundeschlitten solle der restlichen Expedition auf dem Rückweg entgegenkommen. Das geschah aber nicht. Unklar ist für Turney jedoch, ob dies mit Absicht geschah, weil Evans beleidigt war, da er nicht mit zum Pol durfte. Notizen von Evans legen nahe, dass er darüber sehr verbittert war. Wahrscheinlicher sei jedoch, dass der Leutnant schlicht inkompetent war und die Tragweite dieses Verhaltens nicht erkannte. Wie einzelne Aufzeichnungen zeigen, war Edward Evans unter seinen Kameraden nicht besonders beliebt. Einer schrieb, dass "ein Kamerad Evans in eine Gletscherspalte stürzen wollte – schade, dass er dies nicht tat".

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