Direkt zum Inhalt

Nanotechnik: Nano-Container aus Pflanzenviren

Kuhbohnen-Mosaikvirus
Um Medikamente an ihren Bestimmungsort zu transportieren, möchten sich Wissenschaftler in Zukunft nicht mehr auf den Zufall verlassen – seit Jahren arbeiten sie an Möglichkeiten, Wirkstoffe zu verpacken und quasi mit einem Adressaufkleber zu versehen. Britische Forscher haben jetzt das Kuhbohnen-Mosaikvirus für diesen Zweck nutzbar gemacht. Sie gewannen dessen leere Hülle aus gentechnisch veränderten Pflanzen und zeigten, dass die so gewonnenen 28 Nanometer großen Container auf vielerlei Weise nutzbringend verändert werden können.

Solche nanoskaligen Transportbehälter haben enormes medizinisches Potenzial. Sie können an ihrer Oberfläche Antikörper, Proteine, Zuckermoleküle oder andere Modifikationen für unterschiedliche Verwendungszwecke und in ihrem Innern Pharmazeutika oder auch metallische Nanopartikel tragen. Die letzteren intern mineralisierten Teilchen sind für die Hyperthermie-Therapie von Tumoren interessant. Dabei werden metallhaltige Partikel mit Antikörpern spezifisch an das Krebsgeschwür gebunden und von außen durch ein Magnetfeld erhitzt.

Diese komplexen Strukturen künstlich zu erzeugen stellt Chemiker und Biologen vor enorme Probleme. Deswegen versuchen viele Forscher, geeignete Verpackungen der Natur zu entleihen. Die Capside von Viren haben genau die richtige Größe und auch die gewünschten Eigenschaften – wenn man sie ohne das eingeschlossene Erbmaterial gewinnt.

Weit fortgeschritten sind Studien solcher Anwendungen an Pflanzenviren wie CCMV (Cowpea Chlorotic Mottle Virus) oder dem Kuhbohnen-Mosaikvirus. Bei diesen Viren ist schon bei der normalen Infektion mit der aktiven Form ein beträchtlicher Teil der entstehenden Virushüllen leer, enthalten also kein Erbgut. Forscher um Dave Evans vom John Innes Centre in Norwich entdeckten kürzlich, dass beim Kuhbohnen-Mosaikvirus alle entstehenden Viruspartikel leer bleiben, wenn sie nur den für die beiden Proteine der Virushülle kodierenden Strang sowie das Gen für eine Protease in Kuhbohnen-Zellen einführten [1].

Die solcherart gewonnenen Viruspartikel sind gegenüber Säuren und Laugen im pH-Bereich von 3,5 bis 10 beständig, bleiben nach Kontakt mit organischen Lösungsmitteln intakt und vertragen auch Erhitzen auf 60 Grad für mehr als eine Stunde. Diese Stabilität gegenüber den verschiedensten Bedingungen erlaubt eine große Bandbreite chemischer und physikalischer Veränderungen der Virushülle.

Durch etwa 0,75 Nanometer große Poren in der ikosaedrischen Virushülle ist auch der Innenraum des Capsids zugänglich, wie die Forscher in ihren Versuchen zeigten [2]. In einer Lösung aus Metallsalzen dringen die Metallionen in den Hohlraum ein und lagern sich an der Innenwand der Virushülle an, die negative Ladungen trägt und Metallionen festhält. Diese gebundenen Metallatome dienten in einer anschließenden chemischen Reaktion als Keime, an die sich weiteres Metall anlagerte, bis die Viren mit je einem massiven Metall-Nanopartikel gefüllt waren.

Bei dieser Prozedur änderte sich die Größe der Teilchen nicht, und auch gängige chemische Veränderungen wie gebundene Antikörper waren nach der chemischen Behandlung noch ohne Weiteres möglich, wie nachfolgende Untersuchungen zeigten. Die Verfahren zur Erzeugung maßgeschneiderter Virushüllen für verschiedene Anwendungen will das Institut jetzt patentrechtlich schützen lassen, um die Technik zur Marktreife zu führen. (lf)

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.