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Geochemie: Nasse Zeitzeugen

Nicht immer sorgte die Naturschönheit der kalifornischen Sierra Nevada für Staunen. Im 19. Jahrhundert dürften Minenarbeiter den Gebirgszug wohl am liebsten als Spiegelbild in einem Goldklumpen bewundert haben. Auf der Suche nach dem Metall zerstörten sie ganze Landstriche, in die sich Geologen nun erneut aufmachten. Auch sie suchten, nicht aber nach dem Edelmetall.
Eozäne Sedimente
650 Kilometer lang reckt sich die Sierra Nevada in Kalifornien. Von Norden nach Süden gewinnt das Hochgebirge zunehmend an Höhe und gipfelt letztendlich im Mount Whitney, der 4418 Meter über den Meeresspiegel emporragt. Die Sierra Nevada ist Teil des gebirgigen Rückgrats, das sich den gesamten Westen des amerikanischen Kontinents entlang zieht.

Bisher waren sich die Wissenschaftler allerdings nicht einig, wann das Hochgebirge genau entstand: Eine Forschergruppe sieht in der Sierra Nevada ein noch sehr junges Gebirge, das sich erst vor drei bis fünf Millionen Jahren gehoben hat. Die Gegenpartei ist hingegen überzeugt, dass die Hebung des Gebirges schon etwa sechzig Millionen Jahre zurückliegt. Zur Freude der einen Geologenfraktion und zur Verblüffung der anderen, gelang es Wissenschaftlern der Universität Stanford nun erstmals, das Alter der Sierra Nevada zu bestimmen. Ohne Vorarbeit der Goldgräber wäre den Forschern die Altersvorhersage jedoch möglicherweise nicht so einfach geglückt.

Sierra Nevada | In dieser Goldmine im Norden des Bundestaates Columbia sind Sedimentschichten aus dem Eozän freigelegt.
Was die Bergleute vor etwa 150 Jahren ans Tageslicht brachten, war vor allem Sedimentgestein aus dem Eozän, also mindestens 33 Millionen Jahre alt. Die Wissenschaftler interessierten sich dabei besonders für Kaolinit, ein Tonmineral, das sich bei der Verwitterung von Granitgestein bildete. Denn als das Mineral im Eozän entstand, lagerte es Oberflächenwasser in seine Kristallstruktur ein – und da vulkanisches Gestein in der folgenden erdgeschichtlichen Epoche dann die Tonschicht überdeckte, blieben diese feuchten Zeugen der Vergangenheit bis heute eingeschlossen.

Reliefkarte der nördlichen Sierra Nevada | Geowissenschaftler entnahmen ihre Proben aus dem Sedimentgestein des Eozäns (weiße Flächen) entlang des nördlichen und südlichen Yuba-Rivers der Sierra Nevada.
Als das Forscherteam um Andreas Mulch Proben des Minerals aus unteren Flussregionen und vom Oberlauf des Yuba-Rivers untersuchte, stellten sie fest, dass sich das eingeschlossene Wasser in den Proben voneinander unterschied: Das Kaolinit-Wasser aus höher gelegenen Gebirgsregionen enthielt vergleichsweise weniger Deuterium, also schweren Wasserstoff, als das der Probe des Flussunterlaufs.

Nur ein Hindernis kann diese Ungleichheiten hervorrufen, erklären die Forscher: Wäre das Gebirge in der damaligen Zeit noch nicht zugegen gewesen, hätten die Regentropfen alle dasselbe Verhältnis von Wasserstoff-Isotopen enthalten. Müssen Wolken jedoch aufsteigen, regnen sie beständig ab – und verlieren dabei zuerst die Tropfen mit schwerem Wasserstoff.

Der Gebirgszug der Sierra Nevada stieg also schon vor mindestens fünfzig Millionen Jahren über den Meeresspiegel empor. Auslöser dürfte sein, dass die Pazifische unter die Nord-Amerikanische Platte abtauchte, diese dadurch anhob und so die Gebirgsbildung einleitete. Dennoch, Mulch gibt der Geologenfraktion, die das Gebirge deutlich jünger sehen, nicht ganz Unrecht: Er geht davon aus, dass insbesondere die nördliche Sierra Nevada erst im Pliozän – also vor drei bis fünf Millionen Jahren – noch einmal um weitere 300 bis 500 Meter an Höhe gewann.

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