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Belgien: Neandertaler verspeisten ihre Artgenossen

Auch in Belgien sind Forscher auf eindeutige Spuren einer Zweitnutzung toter Artgenossen gestoßen. Was sich die Neandertaler dabei dachten, lässt sich leider nicht rekonstruieren.
Neandertaler

Neandertaler in den Höhlen von Goyet in Belgien haben offensichtlich die Leichen ihrer Artgenossen gezielt zerlegt und wohl auch gegessen. Zudem nutzten sie deren Knochen für die Werkzeugbearbeitung. Das zumindest verraten rund 40 500 bis 45 500 Jahre alte Skelettüberreste, die ein Wissenschaftlerteam nun untersuchte. 99 bisher unbestimmte Knochenfragmente könnten eindeutig als Überreste von Neandertalern identifiziert werden, schreiben die Forscher.

An den Knochen fand das von Johannes Krause von der Universität Tübingen geleitete Team um Hélène Rougier von der California State University in Northridge eindeutige Spuren einer typischen Schlachtung – dieselben Schnittmarken und Häutungsspuren, wie sie auch an den Knochen von typischem Jagdwild der Neandertaler finden lassen, so etwa an den Pferd- und Rentierknochen, die in der Höhle verstreut lagen.

Dass es den Neandertalern tatsächlich um den Verzehr der Leichenteile ging, belegt auch die Tatsache, dass große Röhrenknochen zerschlagen wurden, wohl um an das darin enthaltene Mark zu gelangen. Ob diese Praxis allerdings vorrangig der Ernährung diente oder ob damit rituelle Vorstellungen verbunden waren, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen. Funde einer deutlich älteren Stelle im nordspanischen Atapuerca-Gebirge legen nahe, dass ein auch Homo antecessor genannter Neandertalervorfahr tatsächlich mit Hilfe junger Artgenossen seinen Fleischkonsum erhöhte.

Auch aus anderen Teilen Südeuropas gibt es Hinweise auf Kannibalismus unter Neandertalern. Der belgische Fund stellt das bislang nördlichste Auftreten dieses Verhaltens dar. Seit 150 Jahren wird in der "troisième caverne" der Goyet-Höhlen in der Provinz Namur gegraben. Dank der jüngsten Analyse liefert sie jetzt den größten Bestand an Neandertaler-Überresten im nördlichen Europa.

In Goyet sticht dabei auch die Vielzahl an Neandertalerknochen heraus, die zu Werkzeugen umfunktioniert wurden. In der Endphase ihrer Existenz hätten die Neandertaler eine große Vielfalt an Praktiken im Umgang mit Toten gezeigt, so die Forscher. Auch die Werkzeugkultur unterschied sich regional. Ganz im Gegensatz dazu steht die Genetik von Homo neanderthalensis: Wie mtDNA-Untersuchungen an den Goyet-Knochen bestätigen, wiesen die Neandertaler nur eine sehr geringe genetische Vielfalt auf.

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