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Tutanchamun: Neue Radarscans stoßen auf massive Wände

Noch demonstriert die Altertümerverwaltung zwar Optimismus. Doch halb offiziell bekannt gewordene Radarscans legen nahe: Beim Kammerspiel im Tut-Grab fällt wohl bald der letzte Vorhang.
Die Maske des Tutanchamun

Von der Fachkonferenz, zu der die ägyptische Altertümerverwaltung vergangene Woche in den Rohbau des New Grand Egyptian Museum in Giseh eingeladen hatte, waren neue und vor allem eindeutige Resultate erwartet. Befinden sich nun im Grab Tutanchamuns noch verborgene Kammern oder nicht? Doch statt wissenschaftlicher Erkenntnisse lieferten sich konkurrierende Exchefs der Antikenbehörde auf dem Podium einen Schlagabtausch, der nur knapp über der Gürtellinie ausgetragen wurde.

Vor allem ist der zwischenzeitliche Enthusiasmus, es könnten sich im Grab von Tutanchamun tatsächlich noch unentdeckte Grabbeigaben oder sogar die Mumie der Nofretete befinden, wieder einer ziemlichen Ernüchterung gewichen. Und das, nachdem sich sogar anfangs skeptische Fachleute ernsthafte Hoffnungen auf eine Sensation hinter der bemalten Nordwand der Sargkammer gemacht hatten.

Anlass dafür waren vor allem die Radarmessungen des japanischen Spezialisten Hirokatsu Watanabe gewesen. Im November 2015 wollte er nicht nur Hohlräume, sondern sogar organische und metallische Relikte hinter den bemalten Wänden erfasst haben. Das ist zwar nach Ansicht von Radarexperten schlichtweg unmöglich, weckte aber dennoch entsprechend hohe Erwartungen. Der damalige Chef der Altertümerverwaltung Mamdouh El-Damaty hielt sich zwar eher bedeckt, gab sich jedoch ebenfalls – mit Verweis auf die von Watanabe erzielten Messdaten – "zu 90 Prozent sicher", dass die Hohlräume existierten.

Die genauen Daten stellte sein japanischer Experte allerdings nie für eine Überprüfung zur Verfügung. Er habe im Lauf seiner 40-jährigen Tätigkeit seine Geräte so für seine persönlichen Bedürfnisse modifiziert, dass Außenstehende mit seinen Messwerten ohnehin nichts anfangen könnten, wird er zitiert. Und es mache ihn traurig, wenn man seine Resultate anzweifelte, denn er würde seinen Daten voll vertrauen. Bei der jüngsten Fachkonferenz in Giseh stellte Watanabe nun seine Ergebnisse etwas detaillierter vor und erntete dafür eher noch mehr Kritik, als dass er seine Zweifler überzeugen konnte.

Was zeigen die neuen Radarscans?

Hauptgrund für den allgemeinen Meinungsumschwung ist allerdings eine weitere Entwicklung, die erst jetzt scheibchenweise an die Öffentlichkeit dringt. El-Damaty hatte, wie es in einer Situation dieser Tragweite die einzig vernünftige Entscheidung war, noch ein zweites Geophysikerteam unter Leitung von Eric Berkenpas ins Felsengrab geschickt. Sozusagen zur Nachkontrolle.

In diesem Zeitraum erfolgte jedoch seine Abberufung als Antikenminister zu Gunsten seines Nachfolgers Khaled El-Enany. Ob der Ministerwechsel mit den Ereignissen um das Tut-Grab zusammenhing, ist Spekulation. Er führte aber zur befremdlichen Situation, dass sich bei Pressekonferenzen zum Thema der aktuelle Chef im Hintergrund hielt und sein Vorgänger die Statements abgab.

"Da ist nichts"Dean Goodman

Anfangs hatte die ägyptische Altertümerbehörde noch mitgeteilt, die Messungen der Amerikaner würden nicht im Widerspruch zu den früheren stehen. Aussagekräftige Details und Analysen bekam die Öffentlichkeit allerdings nicht zu Gesicht. Eine Art Nachrichtensperre, die Ägypter und (Mit-)Finanzier "National Geographic" verhängten, verhinderte das.

Nun jedoch sickerte auf inoffiziellen Konferenzkanälen und dann maßgeblich durch einen eigenen Beitrag des Magazins selbst Gegenteiliges durch. Berkenpas' Team hatte die neuen Radarscans verschiedenen Fachkollegen mit der Bitte um Einschätzung vorgelegt. Einer von ihnen, der kalifornische Geophysiker Dean Goodman, ließ nun beispielsweise wissen, er habe keinerlei Hinweise auf zusätzliche Kammern gefunden. "Wenn es einen Leerraum gäbe, hätten wir ein starkes Echo. Aber da ist nichts. Manchmal können Radarsignale trügerisch sein, aber nicht in diesem Fall." Aus vertraglichen Gründen durfte er aber seine Ergebnisse nicht weiter verbreiten oder kommentieren.

Altes Equipment, überzogene Interpretationen

Watanabe sieht sich unterdessen einer Reihe weiterer Vorwürfe ausgesetzt. So hält man ihm vor, dass er ein veraltetes Equipment des japanischen Radargeräteherstellers Si-Tex Koden verwenden würde, dessen Komponenten teils schon seit Jahrzehnten nicht mehr lieferbar seien. Watanabe neige schnell zu übertriebenem Enthusiasmus und sei in Japan schon immer umstritten gewesen, verriet Izumi Shimada, ein Anthropologe der Southern Illinois University, der schon mehrfach mit dem Japaner zusammengearbeitet hatte, gegenüber "National Geographic". Dennoch habe er mit seinen Messungen niemals so sehr danebengelegen, wie ihm jetzt vorgeworfen wird.

"Da ist nichts"Lawrence Conyers

An der Spitze der Kritiker steht Zahi Hawass, der langjährige Chef der Altertümerverwaltung. Nicholas Reeves ist für ihn nur "dieser britische Wissenschaftler", einer, der lediglich "seinen eigenen Ruhm auf Kosten unserer Altertümer" mehren möchte. Vor allem störte ihn, den vormaligen Meister der Selbstvermarktung, die Medienpräsenz: "Wir müssen dieses Medienbusiness stoppen, denn es gibt nichts zu veröffentlichen. Es gibt nichts zu veröffentlichen, weder heute noch gestern!", so seine Stellungnahme auf der Konferenz.

Neue Messungen – demnächst

Tatsächlich bleibt ja auch immer noch vieles im Vagen. Das Antikenministerium hat angekündigt, "in den nächsten Monaten" weitere Scans der Grabkammer vorzunehmen. In welchem Klima die Verantwortlichen derzeit agieren, zeigte sich am dritten und letzten Tag der Konferenz beim direkten Schlagabtausch zwischen Hawass und El-Damaty, die sich gegenseitig auf offener Bühne illegaler Bohrungen an Weltkulturerbestätten bezichtigten. Konkret hielt Hawass seinem Nachfolger vor, insgeheim Genehmigungen dafür erteilt zu haben, im Tut-Grab ein Loch zu bohren, durch das ein Glasfaserkabel mit einer Minikamera eingeführt werden sollte. "Warum sagen Sie so etwas heimlich, so wie jetzt?", attackierte Hawass. "Wo soll was gesagt worden sein?", fragte El-Damaty gereizt zurück. "Warum sagen Sie nicht öffentlich, dass Sie eine Genehmigung erteilt haben?", setzte Hawass nach. "Ich habe schon mehrfach gesagt, dass ich nichts unternehmen werde, bevor ich mir hundertprozentig sicher bin", erwiderte El-Damaty und holte zum Gegenschlag aus: "Sie haben doch damals Löcher in die Pyramide gebohrt und sich nachträglich dafür die Genehmigung eingeholt!"

Wie geht es nun weiter? Ohne Alleingänge, versicherte der amtierende Antikenminister. Alle Maßnahmen sollen von einem Expertenkomitee beschlossen werden. Seine Botschaft: "Die Wissenschaft wird sprechen!", wenn demnächst andere Messverfahren das Rätsel klären. Doch auch diesem Versprechen schlägt Skepsis entgegen. Welche Methoden das denn seien, fragt etwa Lawrence Conyers, Verfasser eines Standardwerks über den Einsatz von Bodenradar (GPR) in der Archäologie. Mit wem er in der Radarexperten-Community auch gesprochen habe, jeder habe gesagt, "da ist nichts". Und alle anderen Verfahren seien wesentlich weniger aussagekräftig. "Mein Verdacht ist, hier werden einfach Nebelkerzen gezündet."

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