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Halbleiterphysik: Neues Quasiteilchen entdeckt

Als sie einen Halbleiter mit intensiven Laserpulsen beschossen, entdeckten Physiker neuartige, eigentümliche Gebilde: "Quantentröpfchen".
Künstlerische Darstellung des Quantentröpfchens

Für Physiker ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Zumindest, wenn sie von "Quasiteilchen" sprechen: Komplizierte, mitunter exotische Effekte erklären sie dann dadurch, dass sich mehrere Teilchen gemeinsam so verhalten wie ein einzelnes, fiktives Teilchen mit ganz eigenen Eigenschaften. US-amerikanische und deutsche Physiker entdeckten nun neue Quasiteilchen, die sie "quantum droplets" nennen – Quantentröpfchen. Sie entstehen in Halbleitern und verhalten sich einer neuen Veröffentlichung in "Nature" zufolge wie Flüssigkeitstropfen mit quantenphysikalischen Eigenschaften.

Als das Standardrezept versagte

Beispiele für bereits bekannte Quasiteilchen sind etwa Zusammenschlüsse von zwei Elektronen, die so genannten "Cooper-Paare", die in Supraleitern für deren widerstandsfreie elektrische Leitfähigkeit sorgen. In Halbleitern, auf denen die moderne Elektronik basiert, sind "Löcher" positiv geladene, frei bewegliche Quasiteilchen – eigentlich sind es Atome im Kristallgitter, denen ein Elektron fehlt.

Künstlerische Darstellung des Quantentröpfchens | Das neue Quasiteilchen verhält sich wie ein Flüssigkeitstropfen mit quantenphysikalischen Eigenschaften. Die Autoren bezeichnen ihre Entdeckung daher als Quantentröpfchen oder Dropleton.

Im Vorfeld ihrer nun veröffentlichten Entdeckung beschossen Steven Cundiff und sein Team von der University of Colorado Galliumarsenid, einen Halbleiter, mit intensiven Laserpulsen. Daraufhin entstanden mehrere freie Elektronen und Löcher, die gemeinsam ein für kurze Zeit stabiles System bildeten. Doch die beobachteten Effekte konnten die Experimentatoren nicht aus den Eigenschaften bekannter Quasiteilchen herleiten.

Quantenphysikalische Mischwesen

Ihren deutschen Kollegen, den theoretischen Halbleiterphysikern Stephan Koch und Mackello Kira von der Universität Marburg gelang es, den seltsamen gemeinsamen Zustand aus zumeist vier, fünf oder sechs Elektron-Loch-Paaren als neuartiges Quasiteilchen zu beschreiben. Sie erklären es als ein quantenphysikalisches Mischwesen aus einem klassischen Atom mit mehreren Protonen und Elektronen und einem Thomson-Atom, bei dem die positive Ladung um die Elektronen herum verschmiert ist.

Nur etwa 25 Pikosekunden lang kondensierten die Elektronen und Löcher zu diesen Quantentröpfchen, deren innere Struktur ähnlich wie bei Flüssigkeiten beschrieben werden kann, die gleichzeitig aber quantenmechanische Eigenschaften aufweisen. Die Lebensdauer der Zustände ist den Forschern zufolge groß genug, um die neuen Quasiteilchen in Zukunft eingehender untersuchen zu können. Ob damit auch unerwartete, vielleicht sogar technisch nutzbare Materialeigenschaften bei Halbleitern verbunden sein könnten, vermögen die Physiker noch nicht vorauszusagen. "Doch zumindest werden wir besser verstehen, wie sich Elektronen, etwa in optoelektronischen Bauteilen, genau verhalten", so Cundiff.

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