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Sars-CoV-2: Neun wichtige Lehren über die Corona-Pandemie

Einige frühe Annahmen über Covid-19 haben sich als falsch erwiesen – gut so. Nun ist bekannt, dass Sars-CoV-2 jeden treffen kann und dem Sommer trotzt. Aber auch: Masken schützen.
In geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen, hilft, die Ausbreitung von Sars-CoV-2 zu verringern.

Die Menschheit befindet sich in einer verwirrenden Lage. Wir leben in Zeiten einer Pandemie, in der ständig neue und manchmal widersprüchliche Informationen über die Infektionskrankheit Covid-19 auftauchen. In der Anfangszeit basierten viele Ratschläge zur öffentlichen Gesundheit auf dem, was über frühere Krankheitsausbrüche bekannt war. Aber das Coronavirus Sars-CoV-2 verhält sich unerwartet. Da kann es schwierig sein, Schritt zu halten. Hinzu kommt, dass die Menschen dazu neigen, sich an die ersten Dinge zu erinnern, die sie über ein neues Thema lernen, ein Phänomen namens »Verankerung von Vorurteilen«, und es ist psychologisch herausfordernd, alte Informationen durch neues Wissen zu ersetzen.

Hier sind neun der wichtigsten Dinge, die wir in den vergangenen sieben Monaten über Sars-CoV-2 gelernt haben, und warum wir sie anfangs nicht vollständig verstanden oder geschätzt haben.

Covid-19 kann überall ausbrechen. In den ersten Monaten der Pandemie gab es viele Vermutungen und Vorurteile: Die Chinesen bekamen es, weil sie ihre Lebensmittel auf dem Wildtiermarkt kauften. Die Italiener bekamen es, weil sie sich mit Küssen auf die Wangen begrüßten. Menschen auf Kreuzfahrtschiffen bekamen es wegen der Büffets. Menschen in Pflegeheimen bekamen sie, weil sie gebrechlich sind. Die Menschen in New York bekamen es, weil die Stadt überfüllt ist. Jetzt wissen wir, dass Ausbrüche in städtischen Gebieten, auf dem Land, in Vorstädten und in jeder Kultur auf der ganzen Welt vorkommen können.

Wie viele Menschen haben sich neu angesteckt? |

Covid-19 kann jeden treffen und töten. Die ersten Opfer der Pandemie waren unverhältnismäßig älter oder hatten bereits Vorerkrankungen. Alter und Gebrechlichkeit sind immer noch Risikofaktoren für schwere Krankheiten und Tod. Doch heute ist bekannt, dass die Krankheit auch junge und gesunde Menschen hart treffen kann. Sie kann junge Erwachsene töten. Sie kann Teenager töten. Sie kann Kinder töten.

Kontaminierte Oberflächen sind nicht die Hauptgefahr. Schon früh rieten Experten für öffentliche Gesundheit den Menschen, sich häufig die Hände zu waschen (und dabei zweimal »Happy Birthday« zu singen), Oberflächen zu desinfizieren und das Gesicht nicht zu berühren. Dies basierte auf Studien über die Ausbreitung anderer Krankheiten wie Noroviren und Viren, die eine Erkältung verursachen. Es ist immer noch eine gute Idee, sich regelmäßig die Hände zu waschen (und Händeschütteln zu vermeiden), aber jetzt wissen wir, dass Oberflächen nicht der Hauptüberträger von Sars-CoV-2 sind.

© Spektrum der Wissenschaft
Hände waschen kurz erklärt

Es liegt in der Luft. Zuerst dachten Experten, das Virus würde vor allem durch Schleimklumpen und Speichel verbreitet, die beim Husten oder Niesen ausgestoßen werden. Sie dachten, diese Tröpfchen seien schwer genug, um relativ schnell aus der Luft zu fallen. Frühe Ausbrüche in Krankenhäusern hatten darauf hingedeutet, dass das Virus in Partikeln ausgeblasen wurde, die klein genug waren, um durch bestimmte medizinische Verfahren, wie das Anlegen einer Person an ein Beatmungsgerät, in der Luft zu schweben. Heute wissen wir jedoch, dass jede und jeder das Virus in einer Reihe von Tröpfchengrößen ausstößt. Dabei sind einige Partikel klein genug, um in der Luft zu verbleiben, insbesondere in schlecht belüfteten Innenräumen.

Viele Menschen sind ansteckend, ohne krank zu sein. Andere Atemwegserkrankungen führen dazu, dass Menschen husten und niesen. Während des Sarsausbruchs in den Jahren 2002 und 2003 erkrankten Menschen so schnell so stark, dass die meisten von ihnen ins Krankenhaus mussten. Temperaturkontrollen und die Aufforderung an die Erkrankten, zu Hause zu bleiben, können die Ausbreitung solch symptomatischer Krankheiten stoppen. In den ersten Monaten der aktuellen Corona-Pandemie begannen viele Länder an ihren Grenzen, Menschen zu screenen, um diese Fälle aufzuspüren. Die größte Herausforderung für die Eindämmung von Sars-CoV-2 besteht jedoch darin, dass viele scheinbar gesunde Menschen die Krankheit ohne Symptome oder vor dem Einsetzen der Symptome einfach durch Sprechen und Atmen verbreiten.

Wie entwickelt sich die Pandemie? Welche Varianten sind warum Besorgnis erregend? Und wie wirksam sind die verfügbaren Impfstoffe? Mehr zum Thema »Wie das Coronavirus die Welt verändert« finden Sie auf unserer Schwerpunktseite. Die weltweite Berichterstattung von »Scientific American«, »Spektrum der Wissenschaft« und anderen internationalen Ausgaben haben wir zudem auf einer Seite zusammengefasst.

Warmes Sommerwetter hat das Virus nicht aufgehalten. Influenza ist eine saisonale Atemwegserkrankung, die im Winter ihren Höhepunkt erreicht. Einige Experten hatten gehofft, dass die Ausbreitung von Covid-19 in der nördlichen Hemisphäre im Frühling und Sommer ein ähnliches Muster zeigen und sich verlangsamen würde. Jetzt wissen wir, dass das Verhalten der Menschen, unabhängig von der Jahreszeit, der stärkste Indikator dafür ist, ob sich die Krankheit ausbreiten wird.

Masken funktionieren. Als die Pandemie begann, befürchteten Experten, dass der massenhafte Kauf von Masken den Mangel an persönlicher Schutzausrüstung für medizinisches Personal und andere Personen, die diese benötigen, noch verschärfen könnte. Sie warnten auch davor, dass Masken die Menschen in Bezug auf soziale Distanzierung nachlässig werden lassen könnten und dass Stoff- oder Papiermasken – im Gegensatz zu N95-Operationsmasken – nicht die kleinsten aerosolierten Viruspartikel aufhalten können. Jetzt wissen wir, dass Masken die Menge des Virus, die Menschen beim Sprechen in die Luft ausstoßen, stark reduzieren können und dass Masken Menschen schützen – nicht perfekt und nicht jede gleich gut, aber ausreichend, um die Übertragung der Krankheit zu reduzieren. Zumindest, wenn sie korrekt gepflegt und getragen werden.*

Rassismus, nicht Rasse, ist ein Risikofaktor. Die Pandemie sollte dem weit verbreiteten Irrglauben ein Ende setzen, dass Rasse, ein soziales Konstrukt, eine biologische Erklärung für gesundheitliche Ungleichheiten sei. Covid-19 hat in den Vereinigten Staaten unverhältnismäßig viele People of Color getötet. Dies ist nicht auf genetische Unterschiede zurückzuführen, sondern auf einen systemischen Rassismus, der viele Einwohner Amerikas isoliert und verarmt sowie dazu geführt hat, dass Schwarze und Latinos mit größerer Wahrscheinlichkeit Arbeitsplätze haben, die sie Infektionen, einer größeren Stressbelastung und weniger Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung aussetzen.

Fehlinformationen töten. Der Präsident der Vereinigten Staaten, andere Politiker, Antiimpfstoff-Aktivisten und Mitglieder der rechten Medien haben zu ihrer Schande die Pandemie benutzt, um Rassismus zu schüren, Fehlinformationen zu verbreiten und Verschwörungsmythen zu verstärken. Ihre Anhänger haben – in den USA – Gesundheitsbeamte bedroht, sich dort, aber auch in anderen Ländern, geweigert, Masken zu tragen, die Kontaktverfolgung erschwert, und bewährte grundlegende Ratschläge des öffentlichen Gesundheitswesens über Social Distancing abgelehnt. Trump-Anhänger Herman Cain starb am 30. Juli an Covid-19, Wochen nachdem er ohne Maske an einer Kundgebung in Tulsa teilgenommen hatte. Die Anrufe bei den Giftkontrollzentren häuften sich, nachdem Trump spekuliert hatte, dass die Injektion oder Einnahme von Desinfektionsmitteln vor dem Coronavirus schützen könnte. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass Menschen, die Fox News sahen, die Pandemie eher herunterspielen und die Ausbreitung verschlimmern würden. Die wichtigste Maßnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit während einer Pandemie, einer Krankheit ohne Heilung oder Impfung, besteht darin, Experten dabei zu unterstützen, klare, vertrauenswürdige, genaue und umsetzbare Informationen auf der Grundlage der besten Beweise auszutauschen. Lügen zu verbreiten, hat geholfen, die Krankheit zu verbreiten.

*Anm. d. Red.: Auf Wunsch einiger Leserinnen und Leser möchten wir an dieser Stelle nachträglich betonen, dass nicht jede Maske gleich viele Viren zurückhält; das Material ist beispielsweise mit entscheidend. Ebenso ist es wichtig, Alltagsmasken zu reinigen. Bei allen Masken gilt: Sie müssen Mund und Nase bedecken – in die Ellenbeuge zu husten und niesen bleibt empfohlen.

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